Der Projektchor hat den Kirchenmusikdirektor auch noch in einem anderen Punkt überrascht: „Es sind von den Mitgliedern so viele Spenden eingegangen, dass wir das Defizit ausgleichen konnten.“ Auch die Friedenskirche in Ludwigsburg hat einen Zuschuss gegeben. Dass den Sängerinnen und Sängern das Projekt am Herzen liegt, merkt er auch am Rücklauf: „Noch nie habe ich so viele Mails bekommen, in denen mir die Leute schrieben, wie es ihnen gerade geht.“ Sobald gemeinsames Singen wieder möglich ist, sollen die Proben wieder starten.
Nicht ganz so optimistisch ist Tom Dillenhöfer. Der Leiter von „Gospel im Osten“, einem Chorprojekt aus Stuttgart, mit über 800 Mitgliedern, vermutet, dass es mit den Chorproben erst wieder im Herbst losgehen kann. Im vergangenen Frühjahr hat „Gospel im Osten“ etwas experimentiert: Es gab tatsächlich ein paar wenige Online-Chorproben. „Aber das geht mal drei Songs lang, dann ist irgendwie der Witz an der Sache weg“, so ist sein Eindruck.
Bei Gospel im Osten gibt es nicht nur Chorproben und Konzerte, sondern auch regelmäßig Gottesdienste. Im vergangenen Jahr wurden diese mit einem kleinen Ensemble aufgezeichnet und dann im Internet veröffentlicht.
Die Online-Chorproben sind eingestellt, dafür gibt es – wie immer – wöchentliche Informations-Mails. „Die gehören fest zu unserer Struktur, das haben wir durchgehalten.“ Dillenhöfer bekommt viele Rückmeldungen von den „GiOs“, wie sie sich selbst nennen. Im vergangenen Herbst gab es ein Konzept fürs Proben im Freien. Das Leitungsteam hatte angefragt, wer Interesse hätte. Zwei Drittel wollten kommen. Doch dann gab es wieder verschärfte Maßnahmen gegen die Pandemie, und die Proben wurden abgesagt. Die Zeit hat Gospel im Osten dazu genutzt, ein paar Aufnahmen auf CD herauszubringen. „Aber wir warten alle darauf, dass es wieder losgeht“, sagt Dillenhöfer.
Dieter Falk hat in den vergangenen Monaten viele Online-Chorproben gestaltet. Der Komponist und Musikproduzent aus Düsseldorf wollte eigentlich im vergangenen Dezember sein Weihnachtsmusical „Bethlehem“ uraufführen – mit einem Projektchor, der 2500 Menschen umfasst. Dann kam der erste Lockdown, und Falk verlegte die Proben kurzerhand ins Internet. Jede zweite Woche kamen bis zu 30 000 Menschen online zusammen. Einen Rückkanal gab es nicht, Falk hörte also nicht, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Hause gesungen haben, während die „ihren“ Dirigenten sehen und hören konnten.
Bis zu den Sommerferien fanden die Proben alle zwei Wochen statt. Doch dann musste die Premiere 2020 abgesagt werden. Geplant ist nun der 11. Dezember in diesem Jahr. Doch ob die Aufführung so stattfinden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher.
Deutschlandweite Probe aus der Not
Dieter Falk ist nach wie vor begeistert, dass viele Menschen an den Chorproben teilnehmen. Diese finden inzwischen alle vier Wochen statt. Zwar habe es nach den Sommerferien einen Einbruch bei den Teilnehmerzahlen gegeben, doch zur Probe im Dezember mit Weihnachtsliedern und Teilen aus dem Musical seien es wieder so viele gewesen wie zu Beginn der Pandemie. Wie es sich weiter entwickelt? Die Proben werden künftig in einem noch größeren Abstand stattfinden, weil die Vorund Nachbereitung extrem viel Zeit kostet. Bis zu eineinhalb Tagen ist Falk damit beschäftigt.
Online-Chorprojekt "Rotkäppchen Nacht der Chöre". Screenshot: Privat
Dennoch lassen ihn Online-Chorprojekte nicht los. So ist Falk an der „Rotkäppchen Nacht der Chöre“ beteiligt, einem Chorwettbewerb, bei dem die Gewinner in einer „Nacht der Chöre“ antreten. Die Präsenzveranstaltung hätte im November stattfinden sollen, sie wurde verlegt. Im November wurde mit den Gewinnern ein Lied aufgezeichnet. Das Video wurde im Internet auf www.youtube.de veröffentlicht, mehr als eine Million Menschen haben es gesehen.