Konsequenterweise trat die Stadt 1495 dem „Schwäbischen Reichskreis“ bei, einer Unterorganisation des Heiligen Römischen Reiches, grob vergleichbar mit den heutigen Bundesländern. Im „Fränkischen Reichskreis“ waren die Würzburger, von denen man sich nun sprachlich und territorial abgrenzte.
Im Grunde sind Haller Franken
Der Ärger mit dem Bischof in Würzburg hatte die Stadtväter auch bewogen, 1522 einen eigenen Prediger an die Michaelskirche zu berufen. Für die Besetzung der Pfarrstellen war ansonsten die Diözese in Würzburg zuständig. Gab es Verfehlungen, lag bei ihr auch die Gerichtsbarkeit. So wird von einem Haller Pfarrer berichtet, der einen Schneider erschlagen haben soll. Die Stadtväter schäumten, vor allem, als das bischöfliche Gericht ihn auch noch freisprach.
Der neue Prediger war nun ein Angestellter der Stadt. Johannes Brenz lautete sein Name. Er hatte als Modernisierer von sich Reden gemacht, war in Heidelberg dem ungewöhnlichen Mönch Martin Luther begegnet, der die Glaubenswelt in Aufruhr brachte. Einen solch unabhängigen Geist konnte man in Schwäbisch Hall gebrauchen.
Johannes Brenz wurde zu einem Vorkämpfer der Reformation. 1526 führte er in Schwäbisch Hall das Abendmahl in beiderlei Gestalt ein, 1527 schaffte er die Messe ab, 1543 erließ er eine neue Kirchenordnung. Schwäbisch Hall war evangelisch geworden, ganz im Sinne Martin Luthers und seines treuen Gefolgsmannes Johannes Brenz.
Der musste 1548 zwar fliehen, doch das katholischkaiserliche Intermezzo war nur von kurzer Dauer. Brenz stieg zum führenden Reformator des Herzogtum Württemberg auf und Schwäbisch Hall blieb eine komplett evangelische Hochburg bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wer vollwertiger Bürger werden wollte, musste sich zum protestantischen Glauben bekennen.
Im September 1802 besetzten württembergische Truppen den Marktplatz. Es war der Anfang vom Ende der selbstständigen Reichsstadt. Napoleon löste das alte Reich auf und mit ihm die meisten seiner kleinen Territorien. Die freie Stadt Schwäbisch Hall verlor ihre Eigenständigkeit und sämtliche Besitzungen. Was sie außerdem abgeben musste, war ihren Namenszusatz: Aus Schwäbisch Hall wurde nun wieder Hall, mit der kuriosen Folge, dass die Stadt, die nun von Schwaben regiert wurde, fortan nicht mehr „Schwäbisch“ hieß.
Hintergrund dieser neuerlichen Umbenennung war wohl die Abgrenzung zur Vergangenheit des Heiligen Römischen Reiches, wie Daniel Stihler, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs, vermutet: Schwäbisch Hall hieß die alte Reichsstadt und Schwäbisch war der Reichskreis, dem sie angehörte. Mit beidem wollte man nun nichts mehr zu tun haben.
Also nur noch „Hall“: Der zweite Teil des Namens weist auf die lange Tradition der Salzgewinnung hin, die das Wirtschaftsleben in der Stadt am Kocher über Jahrhunderte bestimmte. „Hall“ war ein anderer Begriff für Salz oder Sole und findet sich auch in Ortsnamen wie Bad Reichenhall oder Hallein wieder.
Seit dem 12. Jahrhundert gab es eine Salzquelle in Schwäbisch Hall. Sie liegt gleich neben dem heutigen Haalplatz und war lange der Garant für Wohlstand. Als ihre Bedeutung allmählich abnahm, verlegten sich die Haller auf den Weinhandel, mit hochwertigen Tropfen aus der Rheinregion und dem Elsass.
1925 machte die Saline der württembergischen Salzstadt Hall endgültig dicht. Die Wirtschaftlichkeit war nicht mehr gegeben. Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man dort nur noch Steinsalz aus dem nahen Bergwerk in Wilhelmsglück verarbeitet, die eigene Sole war schon seit geraumer Zeit nicht mehr rentabel.
Hall war keine Stadt, die unter den Württembergern prosperierte. Ganz im Gegensatz zum nahen Heilbronn, das zu einer Industriemetropole aufstieg. Vermutlich deshalb wurde Schwäbisch Hall im Zweiten Weltkrieg auch nicht zerstört, während Heilbronn in Schutt und Asche lag.
In Schwäbisch Hall hingegen blieb die Altstadt weitgehend erhalten. Nur das Rathaus hatte einen Treffer abbekommen. So blieb die Vergangenheit im Ortsbild bewahrt, die die Stadt am Ufer des Kochers noch immer zu einer der schönsten in Süddeutschland macht.
Das hatten schon die Filmemacher der „Feuerzangenbowle“ bemerkt. Die Kleinstadtansicht, die man im Rühmann-Klassiker durch das Fenster des Gymnasiums sieht, zeigt einmal die Wallfahrtskirche auf dem Ellwanger Schönenberg, ein anderes Mal jedoch die Altstadtkulisse von Schwäbisch Hall.
Im Krieg fast nicht zerstört
Schwäbisch heißt die Stadt übrigens seit 1934 wieder, angeblich weil man sie von Hall in Tirol abgrenzen wollte. Das hält Archivar Daniel Stihler aber eher für ein Gerücht. Es hat wohl eher mit der Rückbesinnung der Stadtverantwortlichen auf einen Namen zu tun, der in der Bevölkerung nie ganz verschwunden war. Für eine ideologische Motivation in der Zeit des Nationalsozialismus gibt es laut Stihler keinen Beleg.
Heute kennt man den Namen Schwäbisch Hall auch wegen seiner Bausparkasse, den Freilichtspielen auf der Treppe der Michaelskirche und einem Landschwein, das unter diesem Namen (Schwäbisch Hällisch) Karriere gemacht hat. Und natürlich ist die Stadt noch immer sehr evangelisch. Der Abendmahlskelch von Johannes Benz ist bis heute im Einsatz, in einer fränkischen Kleinstadt namens Schwäbisch Hall, die sich im Laufe der Geschichte mehr als einmal einen Namen gemacht hat. □
◼ Das Hällisch-Fränkische Museum erzählt die Geschichte der Stadt und Region, auch was die Konfessionen angeht, Telefon 0791-751289, www.
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