Seit einem Jahr macht das Café Apotheke bei der Spendieraktion mit. Viele Kunden haben schon eifrig spendiert. Doch: Kaum jemand löst einen Bon ein. Judith Garcia Beier: „Viele schämen sich.“ Erst kürzlich habe ihre Kollegin einen Mann angesprochen, der in ihren Augen mit Sicherheit obdachlos war. Doch er habe abgewunken und darauf bestanden, seinen Kaffee selber zu bezahlen. Es ist ein Balanceakt: Menschen, die wirken, als hätten sie kaum Geld, auf die Aktion ansprechen? Oder besser nicht? Die beiden Apotheken-Chefinnen haben beschlossen, es zu tun. Manchmal bringen sie auch ein paar Kassenbons zum Ulmer Verein „Frauen helfen Frauen“ oder zur Flüchtlingskoordinationsstelle mit der Einladung, im Café vorbei zu schauen.
Kaffeespendieraktion - Es spendieren viele, wenige lösen ein
Die Biberacher "Kaffee-Bühne", die schon rund drei Jahre aufgeschobenen Kaffee anbietet, geht nach Anlaufschwierigkeiten ebenfalls seit einer Weile in die Offensive. Inhaber Peter Grunwald sagt: „Die Leute schämen sich. Also verteilen wir Kaffee-Gutscheine im Tafelladen oder auch gezielt an ein paar Familien mit kleinen Kindern und wenig Geld. Manche von ihnen kommen nun ein bis zwei Mal im Monat zu uns. Für die Kinder gibt’s natürlich Kakao statt Kaffee.“ Sie alle sind in der Kaffee-Bühne bekannt: Wenn ein Kaffee eingelöst wird, passiere das zwischen ihnen und den Kaffee-Bühne-Mitarbeitern dezent.
Nur einmal haben die Ulmer Café-Chefinnen eine Negativerfahrung gemacht. Judith Garcia Beier: „Das war ein Obdachloser. Der war sehr unangenehm, roch auch stark. Und nahm sich gleich mehrere Bons.“ Das hat sie geärgert und sie hatte überlegt, ihn aus Rücksicht auf ihre Kundschaft hinaus zu quittieren. Es blieb bei diesem Fall.
Vielen Kunden ist wichtig, dass die Bons tatsächlich nur von Menschen mit wenig Geld eingelöst werden. Doch eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt. Stefanie Rukavina sagt dazu: „Wenn sich jemand, der es nicht nötig hätte, mal einen Bon mopst, dann darf man mit Vertrauen darauf schauen: Das wird sich schon richten!“
Jetzt, im Winter, hoffen Judith Garcia Beier und ihre Kollegin, dass mehr Menschen mit wenig Geld ihre Scham über Bord werfen und die Einladung annehmen: Reinkommen, da sein, Kaffee trinken. Sie selbst werden abwarten und Tee trinken.
◼ Das Café Apotheke befindet sich in der Olgastraße 143 in Ulm; die Kaffee-Bühne in der Radgasse 12 in Biberach. Internet: www.suspendedcoffee.de