...irgendwie funktioniert“, erzählt die junge blonde Frau heute. Sie ist nicht mehr in der Lage, die Wohnungsmiete zu bezahlen. Ihr Vermieter, der sieht, wie schlecht es ihr geht, wendet sich schließlich an den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) – für Maren ein Glücksfall, wie sie jetzt sagt: „Er hat mich dadurch gerettet.“
Inzwischen lebt die 31-Jährige im Haus Karla, einem Wohn- und Hilfeangebot für Frauen. Maren geht es seitdem besser, sie hat wieder Freude am Leben und an sozialen Kontakten. Die Arbeit in der Gastronomie macht ihr weiterhin Spaß, inzwischen ist sie dort jedoch nur noch in Teilzeit tätig.
Immer mehr Frauen sind wohnungslos
Wie Maren haben die meisten Frauen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, eine lange Leidenszeit hinter sich. Das bestätigt Wolfgang Sartorius, Geschäftsführender Vorstand der Erlacher Höhe. „Viele sind verarmt, haben mit den Folgen häuslicher Gewalt zu kämpfen. Sie leiden unter körperlichen Verletzungen, psychosomatischen Beschwerden und psychischen Störungen.“ Die Betroffenen, die in die Einrichtung kommen, sind meist sehr jung – die Hälfte von ihnen ist unter 25 Jahren. In Deutschland waren im Jahr 2017 rund 68 000 Frauen wohnungslos. Der Frauenanteil bei den Hilfeangeboten der freien Träger stieg dabei seit 2011 um knapp fünf Prozent und liegt derzeit bei 27 Prozent.
Ambulante Hilfen im Rems Murr Kreis
Anton Heiser, Abteilungsleiter der Ambulanten Hilfen Rems Murr, beobachtet, dass Frauen oft lieber in prekären privaten Verhältnissen leben, bevor sie auf der Straße landen. Diese sind etwa von Gewalt oder Prostitution geprägt. Dementsprechend gibt es eine so genannte verdeckte Wohnungslosigkeit. „Viele empfinden ihr persönliches Schicksal als Schande, sie haben das Gefühl, versagt zu haben – und deshalb Hemmungen, eine Beratungsstelle aufzusuchen“, sagt Heiser.
Haus Karla
Die Betroffenen, die ins Haus Karla kommen, sind meist sehr unselbstständig. Sie haben Angst vor Behörden, sind verunsichert und ohne Selbstvertrauen. Sie benötigen Zeit, um wieder Fuß im normalen Leben zu fassen. Dementsprechend liegt die durchschnittliche Verweildauer in der Einrichtung bei einem knappen Jahr. Die Sozialarbeiter vom Haus Karla versuchen aber auch, präventiv vorzugehen. „Unser Ziel ist es, möglichst frühzeitig auf gefährdete Frauen zu stoßen, um die Wohnungslosigkeit zu vermeiden“, sagt Heiser.
Erlacher Höhe
Auch Carolin Hauber ist auf das Hilfeangebot der Erlacher Höhe angewiesen. Seit April lebt sie im Haus Karla. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich Hilfe annehmen konnte. Aber irgendwann habe ich mir gesagt: So kann es nicht weitergehen.“
Bis 2014 hatte die Fellbacherin einen festen Job bei Daimler. Doch nach dem Tod ihres Lebensgefährten und der schweren Erkrankung ihrer Mutter verliert sie den Halt. Die Wohnung kann sie sich nicht mehr leisten, lebt vorübergehend bei Freunden und wird arbeitslos. Über die Mitarbeiter vom Jobcenter wird sie an das Haus Karla vermittelt. Heute arbeitet die 56-Jährige bei der Essensausgabe des EHMobils, einer mobilen Tagesstätte der Erlacher Höhe.
Obdachlosenunterkünfte für Frauen bedenklich
Nicht immer verläuft die Aufnahme und Unterstützung der Frauen so reibungslos wie im Fall von Carolin
Hauber und Maren Hausmann. „Manche Klienten sperren sich dagegen oder sind aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage mitzuarbeiten. Das auszuhalten, ist eine große Herausforderung“, sagt Sozialarbeiterin Barbara Greiner. Genauso frustrierend sei es, wenn die Frauen im Anschluss an die Zeit im Haus Karla wieder selbstständig leben könnten, „man aber keinen Wohnraum findet“.
Wolfgang Sartorius kritisiert, dass vor allem Frauen mit Kindern oft in die üblichen Obdachlosenunterkünfte eingewiesen werden. Dort seien die Bedingungen aus seiner Sicht zum Teil menschenunwürdig. „Die Frauen müssen auf dem Boden schlafen, haben nur ein Waschbecken für sich zur Verfügung. Es gibt keine Privatsphäre, das Umfeld ist von Sucht und Gewalt geprägt.“
Menschenrecht auf Wohnung
Er fordert von der Politik, für Frauen mit oder ohne Kinder mehr niederschwellige Wohnangebote zu schaffen, sich für den sozialen Wohnungsbau einzusetzen. Vor allem für Betroffene, die unter psychischen Erkrankungen leiden oder nach einer Suchterkrankung abstinent leben wollen, gebe es zu wenige Wohnplätze. Sartorius ist überzeugt: „Viel Leid und Elend könnte verhindert werden, wenn das Menschenrecht auf Wohnung in Deutschland ernster genommen würde.“ ■
INFORMATION
Das Haus Karla ist ein Wohn- und Hilfeangebot in Backnang, vorrangig für Frauen aus dem Rems-Murr-
Kreis, die wohnungslos sind oder von Wohnungsnot bedroht werden. Träger sind die Erlacher Höhe, eine Einrichtung der Diakonie, und der Landkreis Rems-Murr. Die Mitarbeiter im Haus Karla setzen sich für einen privaten und beruflichen Neuanfang der Betroffenen ein.
Das Haus bietet acht Plätze in zwei Wohngruppen. Jede Frau hat ihr eigenes möbliertes Zimmer. Zusätzlich stehen zwei Notschlafplätze zur Verfügung. Zu der Einrichtung gehört auch eine Kreativwerkstatt, die sozial benachteiligten Frauen Tagesstruktur und berufliche Qualifizierung anbietet.
Informationen unter Telefon 07191-367970, Internet: www.erlacherhoehe.de