In einem Kommentar mit dem Titel „Der letzte Buß- und Bettag?“ schreibt Arnd Bäucker: „Die evangelischen Kirchen sollten sich nichts vormachen. Die Art und Weise, wie die Diskussion verlaufen ist, hat ihnen zumindest unverblümt klargemacht, welchen Stellenwert sie in der Gesellschaft und in der Einschätzung vieler Politiker genießen.“ Die nun einsetzende Offensive mit Unterschriftenaktionen und Bischofsworten komme wohl zu spät.
In einem Gottesdienst in Tübingen zur Eröffnung der ökumenischen Friedensdekade erklärt der katholische Bischof Walter Kasper, der Buß- und Bettag sei ein ökumenisches Anliegen geworden.
Im Landtag macht Ministerpräsident Erwin Teufel seinen Standpunkt klar, dass er statt der Streichung des Bußund Bettags in Baden-Württemberg eine Streichung des Pfingstmontags favorisiere. Eine Entscheidung trifft der Landtag noch nicht.
Bischof Renz fordert die 2,4 Millionen Protestanten in Württemberg auf, sich für den Buß- und Bettag einzusetzen und sich nicht in die „große Koalition der Schweigenden“ zurückzuziehen. Das Gemeindeblatt berichtet, dass die Gottesdienste zum Buß- und Bettag besser besucht waren als in den Vorjahren. In Heilbronn habe ein Spender mit einer Anzeige in der Tageszeitung zum Gottesdienstbesuch am Buß- und Bettag aufgerufen. Mehrere Tausende Menschen hätten eine Petition des Württembergischen Brüderbundes in Böblingen für den Erhalt des Buß- und Bettags unterzeichnet, die an den Landtag gerichtet sei.
Dezember 1994: In seinem „Persönlich gemeint“ zum zweiten Advent schreibt Chefredakteur Andreas Rössler über die vielen Zuschriften von besorgten Christen an das Gemeindeblatt, in denen es heißt: „Tut doch etwas dafür, daß dieser Feiertag erhalten bleibt!“ Das seien „nicht Stimmen solcher, die einfach einen freien Tag behalten wollen, sondern die einen Tag der Einkehr und Umkehr für unverzichtbar halten“.
Muslime für den Buß- und Bettag
Der Islamische Arbeitskreis in Deutschland spricht sich gegen die Streichung des Buß- und Bettags aus. Die Opferung von religiösen Traditionen zugunsten von wirtschaftlichen Interessen sei eine besorgniserregende Tendenz, die von keiner religiösen Gruppe einfach hingenommen werden dürfe.
Der Landtag entscheidet, dass ab 1995 in Baden-Württemberg der Pfingstmontag als Feiertag gestrichen werden soll. Die Kirchen lehnen die Streichung ab. Gleichzeitig loben sie den Einsatz von Ministerpräsident Teufel für den Buß- und Bettag. Der Protest vieler evangelischer Christen sei doch nicht ohne Folgen geblieben, schreibt Arnd Bäucker in einem Kommentar. Es stehe außer Frage, dass damit „der theologisch wichtigere Tag“ bleibe. In Zukunft sei mehr Verständigung, mehr Dialog gefragt, bevor es ans Streichen gehe.
Februar 1995: Ministerpräsident Teufel teilt Verbänden und Kirchenleitungen mit, dass das Land die Streichung des Pfingstmontags wieder rückgängig machen werde und dafür den Buß- und Bettag opfere. Das Maß des Widerstands gegen die Streichung des Pfingstmontags habe er unterschätzt.
Horst Keil, Sprecher der württembergischen Landeskirche, erklärt, dass die Kirchen „bitter erfahren“ hätten, dass sie eine Minderheit seien und als solche die Menschen nicht hätten überzeugen können. Andreas Rössler kommentiert: „So brutal wurde den Kirchen schon lange nicht mehr vor Augen geführt, wie wenig Rückhalt sie tatsächlich in der breiten Bevölkerung haben.“ Freizeitindustrie und Schaustellerverband hätten entscheidende Anstöße dafür gegeben, welche kirchlichen Festtage gesetzliche Feiertage bleiben. In einer Zeit der Verweltlichung bestehe offenbar kein Interesse an einem Tag wie dem Bußund Bettag, der „in seiner Fremdheit ein Stachel im Fleisch der gewöhnlichen Diesseitigkeit“ gewesen sei.
Protestaktionen gab es nicht nur in Württemberg. Dieses im Gemeindeblatt abgedruckte Bild stammt aus Schleswig-Holstein und zeigt einen Aufruf an die dortige Ministerpräsidentin Heide Simonis. Foto: epd-bild
September 1995: In einem Erlass der Kirchenleitung werden die Pfarrer für den Buß- und Bettag zu Vormittagsgottesdiensten für Schüler ermutigt, die sich für den Gottesdienst vom Schulbesuch befreien lassen können.
November 1995: Im Vorfeld des ersten Bußtags, der kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, hatte das Gemeindeblatt eine Umfrage gestartet, welche Gemeinden an dem Tag trotzdem Gottesdienste feiern. Rund 600 Abendgottesdienste würden angeboten, in 66 Gemeinden gebe es auch vormittags Gottesdienste.
In seinem „Persönlich gemeint“ schreibt Arnd Bäucker: „Ein Feiertag, den es nicht mehr gibt? Das ist nicht richtig. Der Buß- und Bettag ist nicht mehr arbeitsfrei, aber er wird, das zeichnet sich ab, fast allerorts in den Gemeinden der württembergischen Landeskirche begangen.“ Ein letztes Mal sei der Bußund Bettag 1995 im Kalender im Rot des Feiertags gehalten. In seiner alten Form, schreibt Arnd Bäucker, käme der Bußtag nicht wieder. Am Schluss steht ein Appell: „Wir müssen im Alltag vorleben, dass uns die Umkehr zu Gott und das Beten selbstverständlich auch dann wichtig bleiben, wenn in Zukunft der Mittwoch zwischen Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag in schlichtem Schwarz erscheint.“