„Mir ist langweilig“ – Eltern fürchten diesen Satz.
Karen Silvester: Es gibt einen schönen Spruch: „Langeweile ist die Stille in sich, in der man sich selber hört.“ Für Kinder und Jugendliche ist Langeweile eine Triebfeder der Entwicklung! Wenn sich Kinder langweilen, können sie kreativ werden, sich selbst ausprobieren und so herausfinden, was ihre Vorlieben sind; nur so erleben sie ihre Selbstwirksamkeit. Natürlich brauchen sie auch Anreize und müssen in einer stimulierenden Umgebung aufwachsen, aber ständige Ablenkung oder „Bespaßung“ ist weder ein pädagogischer Auftrag noch sinnvoll. Das sollten sich Eltern klarmachen.
Foto: Sweet Louise / Pixaby
Wie beuge ich in den Sommerferien schlechter Stimmung vor?
Karen Silvester: Wichtig ist jetzt: Sich gemeinsam kleine Auszeiten nehmen, Familienzeit bewusst einplanen und genießen, sich ein kleines Ziel setzen. Warum nicht einen Garten anlegen, die Wohnung gemeinsam verschönern, ein Wandmosaik kleben, einen Schrank bemalen? Warum nicht den eigentlich geplanten Ferienort nach Hause holen; spanisch kochen oder gemeinsam Italienisch lernen? Auch „Tagesurlaube“ sind wertvoll: Fahrradtouren, ein Picknick machen, schwimmen gehen oder bei schlechtem Wetter der gemeinsame Kinoabend mit selbstgemachtem Popcorn. Der Kontakt zu Freunden und Familie ist ja wieder möglich, so dass man Kinder tageweise verabreden oder sich mit befreundeten Familien abwechseln kann.
Und wenn die Stimmung doch kippt? Was können Eltern für sich und ihre Kinder tun, um mental stabil zu bleiben?Karen Silvester: Dass man selber oder die Kinder mal übellaunig sind, ist unter diesen Bedingungen ganz normal. Die Situation ist für alle herausfordernd, da sollte man ehrlich zu sich selbst sein und nicht alles beschönigen. Wenn längerfristig schlechte Stimmung herrscht, helfen oft ehrliche Gespräche mit dem Partner oder auch den Kindern selber, je nach Alter: Wie kann man Abläufe verändern oder einen neuen Anreiz setzen? Warum nicht zumindest am Wochenende mal für ein, zwei Tage ausbrechen? Eine Wanderung machen, zum See fahren oder irgendwo zelten und Sterne zählen. Sowas muss nicht viel kosten, aber alle zehren von der gemeinsamen Familienzeit.
Und wenn sich alle nur noch auf die Nerven gehen?
Karen Silvester: Dann wirkt zeitweilige Distanz Wunder. Man kann die Kinder mal bei der besten Freundin übernachten lassen oder ein paar Tage zu den Großeltern oder Paten schicken. Kinder und Eltern brauchen diesen Ausgleich gleichermaßen und eine solche Pause voneinander bringt auf lange Sicht wieder Harmonie ins Familiengebilde. Wenn allerdings die Anspannung ständig steigt, sollte man externe Hilfe in Anspruch nehmen.
Karen Silvester ist promovierte Pädagogin und systemische Familientherapeutin. Foto: Pressebild/SOS-Kinderdorf