Beide, Maria und die Kirche, hängen inhaltlich miteinander zusammen. Für Martin Luther ist Maria die erste Christin, das erste „Kirchenmitglied“. Beide, die schwangere Maria und die glaubende Kirche, haben etwas gemeinsam: Sie tragen Jesus in sich, in und unter ihrem Herzen.
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Marias Geschichte mit Gott beginnt, als ihr der Engel sagt, dass sie schwanger werden und Gottes Kind zur Welt bringen würde. Viele Maler haben die Engelsverkündigung in ein goldbeladenes Bild gefasst. Folgt man den ikonenhaften Mariendarstellungen, müsste man davon ausgehen, dass Maria so überwältigt war von dem Ereignis, dass sie niemals mehr an der göttlichen Herkunft Jesu zweifeln konnte.
Seltsam, dass Maria in Bethlehem verwundert ist
Seltsam, dass Maria später in Bethlehem völlig verwundert ist, als die Hirten ihr im Grunde dasselbe sagen, was der Engel in Nazareth ihr bereits vorher mitgeteilt hat. Warum ist sie so überrascht, als ihr der Priester Simeon bei Jesu „Darstellung im Tempel“ mitteilt, was sie doch schon wissen müsste, dass ihr Sohn der versprochene göttliche „Heiland“ ist? Und wie irritiert ist Maria Jahre später, als der zwölfjährige Jesus im Tempel im Gespräch mit den Schriftgelehrten seine göttliche Weisheit zum Ausdruck bringt.
Maria erleben wir in den Evangelien nicht als unerschütterliche Glaubensheldin, die keine Fragen mehr stellt. Als ihr gesagt wird, dass sie schwanger werden würde, da fragt sie zweifelnd: „Wie soll denn das zugehen, wenn ich mit keinem Mann schlafe?“
Wenn man die Geschichte von Maria ohne Goldlack liest, dann findet man eine kritische, unsichere Frau, die nicht recht versteht, was da alles passiert, und die nur sagen kann: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lukas 2,38). Ihre Gewissheit bezieht sie nicht aus dem Sichtbaren. Sie hat kein absicherndes Beweisfoto in der Tasche.
Ihre Gewissheit kommt aus dem Hören, aus dem, was Gott immer wieder neu und lebendig sagt, aus seinem Wort. In der Kirche ist das genauso: Wir haben den Glauben nicht abgesichert in uns wie ein Bild im Erinnerungsalbum. Gott entzieht sich dem Sehen. Er lässt sich nicht im Bild festhalten. Wir können uns nicht selbst gewiss machen, sondern Gott selbst macht Maria und die Kirche immer wieder des Glaubens gewiss durch sein Wort. Am Schluss des Weihnachtsoratoriums singen ein einziges Mal alle vier Solisten gemeinsam. Alle haben jetzt zusammengefunden an der Krippe.
Ein Fest der Vereinigung von Gott und Mensch. Und sie singen inmitten aller irdischen Kämpfe und Verwundungen: „Was will der Hölle Schrecken nun, was will uns Welt und Sünde tun, da wir in Jesu Händen ruhn.“ Das ist das Bekenntnis von Maria und allen Glaubenden: Unser unruhiges Herz findet an Jesu Krippe Frieden.
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