Auch der 17-jährige Byron, der älteste Sohn von Maria, hat sich auf den Weg Richtung Norden gemacht, zusammen mit seinem Vater, seinem Onkel und dessen Sohn. Byron erzählt: „Schon als ich klein war, habe ich jeden Tag Geld verdient,“ erzählt der Junge. „Aber der Lohn hier reicht nicht zum Überleben. Deshalb haben mein Vater und ich beschlossen, nach Norden zu gehen.
Ein Kind bei der Kaffeeernte in Guatemala, sie leiden besonders unter dem Hunger. Foto: Andreas Boueke
Meine Mutter war sehr traurig. Aber wir hatten keine andere Wahl.“ In Mexiko kam es zur Katastrophe, sagt Vater Arturo. „Es ist uns schlecht ergangen. Mein Bruder wurde ermordet, sein Sohn schwer verletzt, und fast hätten auch mein Sohn und ich nicht überlebt.“ Die Männer wurden überfallen und verschleppt. „Die Entführer haben uns eingesperrt“, erinnert sich Byron. „Sie fotografierten uns und schickten die Bilder an unsere Familien, um Geld zu erpressen. Eine Art Lösegeld für unsere Freilassung.“ Für die Angehörigen in den USA und in Guatemala war das ein Schock. Mutter Maria bekam einen Anruf von Verwandten in den USA: „So erfuhren wir, dass die vier entführt worden waren und wir ein Lösegeld zahlen sollten. 12 000 Dollar. Sie gaben uns 24 Stunden, um das Geld aufzubringen und ihre Leben zu retten.“
Derweil war der Junge Byron den Kriminellen ausgeliefert: „Sie sagten, sie würden uns den Hals durchschneiden, wenn sie das Geld nicht bekommen.“
Bis heute ist die Mutter in El Escobal dankbar für die Solidarität ihrer Nachbarn: „Gott segne all die Leute aus unserem Dorf, die uns geholfen haben. Sie standen Schlange, um uns Geld zu geben. Einige sind sogar auf ihren Motorrädern losgefahren, um Geld aufzutreiben, damit meine Familie überlebt.“
Ermordet auf dem Weg in die USA
Es gelang nicht, das gesamte Lösegeld aufzutreiben. Der Junge Byron erinnert sich an diese Tage wie an einen Albtraum. „Manchmal bekamen wir etwas zu essen. Irgendwann brachten sie uns nach draußen und sagten, sie würden uns in die USA bringen. Doch plötzlich wurden wir überrumpelt und sie schnitten uns die Hälse auf. Wir konnten uns nicht wehren. Fast wären wir gestorben.“
Byrons Onkel hatten die Entführer so tief in den Hals geschnitten, dass er sofort starb. Die Überlebenden lagen blutend im Wald, während niemand in El Escobal wusste, was geschehen war. „Mehrere Nächte lang haben wir auf eine Nachricht gewartet, aber es kam keine“, sagt Maria. „Dann schickte uns jemand ein Foto von der Leiche meines Schwagers.“
Mit einem Finger zieht Byron eine Linie über seinem Hals nach. „Hier sieht man die Narbe. Sie haben die Haut von einem Ohr zum anderen aufgeschnitten.“
Arturo Gonzales konnte seinen Sohn retten: „Gott sei Dank traf ich zwei mexikanische Polizisten, die uns in ein Krankenhaus brachten. Fünf Tage lang waren wir auf der Intensivstation. Ich dachte, ich würde sterben.“ Der Traum von einer besseren Zukunft in den USA war vorerst geplatzt. Einen Monat später kamen die beiden zurück nach El Escobal. Maria war glücklich: „Es war so eine große Freude, als mein Sohn und mein Mann zurückkamen. Dafür danken wir Gott. Es war, als wären sie wiedergeboren worden.“
Für Arturo Gonzales war der misslungene Versuch, die USA zu erreichen, ein finanzielles Desaster: „Wir haben Schulden. Die Bank macht uns täglich Druck. Aber wir besitzen nichts mehr.“ Wahrscheinlich wird der Vater sich deshalb bald wieder auf den Weg machen. „Das Elend ist groß. Von Tag zu Tag wächst der Wunsch, es nochmal zu versuchen. Wenn wir uns nicht wieder auf den Weg machen, nehmen uns die Banken unser Haus weg. Wir schulden noch 40 000 Quetzales, 5000 Euro. Für uns ist das eine unbezahlbare Summe.“ □