Rollstuhlrugby - Voraussetzungen für den Sport
Voraussetzung für das Rollstuhlrugby sind mindestens drei nicht funktionsfähige Gliedmaßen. „Mehr geht immer“, sagt Luis und lacht. Dann denkt er eine Weile nach und sagt: „Wenn man durch einen Unfall in den Rollstuhl kommt, kann ich mir vorstellen, dass man erst ne kleine Krise hat, weil sich das Leben um hundert Prozent dreht.“
Bei Luis war das anders. Er sitzt schon, seit er denken kann, im Rollstuhl. Im Gegensatz zu seiner Zwillingsschwester hat er im Mutterleib ab der dreißigsten Woche zu wenig Sauerstoff bekommen. Regionen im Hirn, die für die Motorik zuständig sind, sind bei ihm deshalb nicht ausreichend ausgebildet. Luis kam mit Spasmen an Händen und Beinen zur Welt, die ihm „ab und zu mal rein schießen“, wie er sagt. Seine Arme und Beine kann er nicht richtig ausstrecken. „Ja, das ist alles ziemlich doof gelaufen. Aber ich kann noch zwei, drei Schritte laufen. Die anderen sind komplett an ihren Rollstuhl gebunden.“ Rennt er in seinen Träumen? „Nein, das ist noch nie passiert.“ Luis stand nie fest mit seinen Beinen auf dem Boden. Und tut es doch erstaunlich gut in seinem Leben. Er hat seinen Führerschein gemacht und demnächst steht sein Abi am Ulmer Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium an. Danach will er in der öffentlichen Verwaltung arbeiten. „Ein sicherer Job“, sagt er und lächelt.
Luis Hundhammer (rechts und mit Pokal in der Hand) liebt seinen Sport.
Fotos: Isabella Hafner, privat
Fünf Jahre ist es her, dass Luis den Sport für sich entdeckt hat. „Mir macht es solchen Spaß, weil ich da richtig Gas geben kann und Rugby sehr kontaktfreudig ist.“ Was so nett klingt, ist hier allerdings anders gemeint. Hier geht’s zur Sache mit den Rollstühlen. „Wenn man aber in höheren Ligen spielt, gibt’s immer weniger Kontakt, weil mehr mit Taktik gearbeitet wird. Dann passiert schon viel vor dem Einwurf.“ Denn das Ziel ist eigentlich: „Man will möglichst vermeiden, den Ball zu passen, weil viele Spieler eine eingeschränkte Handfunktion haben. Der Spieler soll den Ball bekommen, alle anderen machen den Weg frei und er fährt dann möglichst durch.“ Mit dem Ball über die Torlinie. So sieht die Optimalvorstellung aus.
Die Rollstühle müssen also einige Crashs aushalten. Es sind deshalb Spezialanfertigungen aus extra gehärtetem Aluminium, die bis zu 10 000 Euro kosten. So viel wie ein Auto. Je nachdem, ob die Rollstühle für einen Angreifer oder Verteidiger bestimmt sind, haben sie einen Metallbogen vorn, um das Gefährt herum (Angreifer) oder ein Metallteil, um den Gegner gut zu verhaken (Verteidiger); Die Reifen sind schräg gestellt. Während des Spiels tragen die Spieler Handschuhe, die rutschfest beschichtet sind, sodass sie der Ball besser in der Hand gefangen werden kann und in der Hand bleibt.
Rollstuhlrugby, ist das nicht ein zu rabiater Sport für Menschen, die ihre Beine und teils ihre Arme sowieso schon nicht mehr bewegen können? Luis wiegelt ab: „Es passiert nicht viel. Mich hat es insgesamt nur fünf Mal umgehauen, seit ich den Sport mache. Und aus dem Rollstuhl fliegt man ja nicht raus, weil die Beine und der Oberkörper angegurtet sind. Das sieht spektakulärer aus, als es ist.“
So bewegungslos verharren einige Donauhaie Illerrieden nur fürs Foto. Sie lieben ihren Sport
Fotos: Isabella Hafner, privat
Dank Rollstuhlrugby - Luis hadert nicht mit dem Rollstuhl
Luis meistert die Hürden in seinem Leben und lacht viel. Er hadert nicht mit seinem Schicksal. Wenn er allerdings in Ulm unterwegs ist, dann wird er manchmal ausgebremst. Wenn zum Beispiel der eine oder andere Randstein zu hoch ist. In die Straßenbahnen kann er gut hinein fahren, bei Bussen hat er aber oft Probleme. Nicht alle haben eine Rampe oder diese Rampe ist mal wieder defekt. Wenn dann doch mal ein paar Treppenstufen im Weg sind, kann er sich oft an einem Geländer hoch hangeln und sich den Rollstuhl kurz hoch tragen lassen.
Und wenn der 19-Jährige in Ulm am Wochenende feiern gehen will? „Wenn ich in einen Club gehe, muss ich erst mal schauen, wo die Toilette ist.“ Nicht alle Lokale sind rollstuhltauglich: „Viele sind ja auch in älteren Gebäuden oder im Untergeschoss.“ Kürzlich war er zum ersten Mal im „Theatro“, einem Club in der Ulmer Fußgängerzone. „Die haben sogar eine extra Rollstuhl-Toilette“, erzählt er begeistert. „Aber die meisten Clubs sind sehr voll und ich sitze auf der Höhe, wo ich den Leuten vor mir immer auf den Hintern schauen muss.“
Eigentlich trifft sich lieber bei Freunden. Im Gedränge, etwa auf dem Weihnachtsmarkt oder beim Einkaufen, wird er oft übersehen: „Wenn ich an der Theke beim Bäcker stehe und sage, dass ich etwas bestellen möchte, und die Verkäuferin läuft vorbei … Nicht so toll“, sagt er lachend. „Aber die Leute sind immer sehr freundlich, wenn sie es dann merken.“