Es schreckt ihn nicht, sondern scheint auf ihn gewartet zu haben: Das letzte wichtige Stück in einem großen Medienpuzzle. Printprodukte werden die gedruckten Fossile auch genannt, unter den Kirchenzeitungen in Deutschland gibt es keine, die auflagenstärker ist als das Evangelische Gemeindeblatt für Württemberg. „Davor habe ich großen Respekt“, sagt Glawion und will alles dafür tun, dass das Gemeindeblatt seinen Platz in der komplexen Medienwelt behält.
Tobias Glawion hat seinen vor knapp 30 Jahren gefunden. Der Theologiestudent, der plötzlich nicht mehr Pfarrer werden wollte, sondern Journalist. Am 15. Juni 1969 wurde er in Gehrden bei Hannover geboren, der Vater Ingenieur, die Mutter Religionslehrerin, seine Tante Missionarin bei den Liebenzellern.
Mutter, Tante und Oma waren das erste, was ihn mit Württemberg verband. Später kam Tübingen dazu, wo er mit zwei Freunden Theologie studierte. Der Freitod eines Mitschülers hatte ihn tief bewegt und zum Glauben gebracht, „es war ein Trost in einer trostlosen Situation“, sagt er heute.
Daher will er Pfarrer werden, aber nur so lange, bis er merkt, dass man Glaubensinhalte auch anders weitergeben kann. Der Nebenjob bei einem Radiosender in Reutlingen macht ihn neugierig, die Kontakte zum Medienhaus der Landeskirche in Württemberg gehen bis in diese Studienzeit zurück.
Doch erst einmal beendet Tobias Glawion sein Studium. Rhetorik im Hauptfach, Politik- und Religionswissenschaften statt Theologie im Nebenfach. Er geht zum Evangelischen Rundfunkdienst Nord, wird Moderator und Redakteur für „Eikon“. Eikon produziert im Auftrag der EKD Kirchensendungen für RTL, Sat1, Pro7 und N24. Der Hörfunkmann Tobias Glawion macht nun auch Fernsehen.
Immer wieder spielt er dabei seine Liebe zur Pop- und Rockmusik aus: „Mit Gott in die Charts“ heißt ein Projekt, „Mit Gott zum Grandprix“ ein anderes. Die Bands, mit denen er arbeitet, heißen „Normal Generation?“ und „Beatbetrieb“, sie kommen, welch ein Zufall, aus Württemberg.
Fast wäre er 2003 dann auch selbst in Württemberg gelandet, doch die kurze Episode als Geschäftsführer der Stiftung Christliche Medien in Holzgerlingen macht ihm deutlich, dass er den Journalismus mehr liebt als Zahlen und Werbebotschaften.
So kommt der Ruf zum Evangelischen Kirchenrundfunk Niedersachsen-Bremen 2004 gerade recht. Es wird seine bisher längste Station. 14 Jahre ist er dort Chefredakteur, in einer der größten kirchlichen Multimediaredaktionen des Landes. Er baut sie aus statt sie zu verkleinern, versucht die Kürzungen, mit denen er konfrontiert wird, durch neue Geschäftsfelder zu kompensieren.
So dreht er auch Imagefilme für die Wirtschaft, Auftragsarbeiten, die Geld in die Kasse spülen. Und die ihm klarmachen: „Es muss immer eine klare Trennung geben zwischen Werbung und Journalismus.“ Der Ausflug aufs andere Feld schärft sein Qualitätsbewusstsein und macht ihm den Wert einer unabhängigen Berichterstattung noch deutlicher. Er selbst bleibt immer als Journalist aktiv. Fünf Medienpreise bekommt er dafür, einen zusammen mit Margot Käßmann.
In all den Jahren ist er ein wenig ein Nordlicht geworden. Mit seiner Frau Birte macht er am liebsten Urlaub in Dänemark, genießt die Ruhe, den Menschenschlag, die Küste und die Dünen. Dennoch hat er keinen Moment gezögert, als 2018 der Ruf aus Württemberg kam. Es war die richtige Aufgabe zum richtigen Zeitpunkt. Eine Landeskirche, die ihre Medienarbeit neu ausrichtet und sie um ein spannendes Druckerzeugnis ergänzt: das Evangelische Gemeindeblatt.
Dessen neuer Chefredakteur ist er nun. Der erste, der für mehr als nur eine Redaktion zuständig ist. Auch das Kirchenfernsehen, der Hörfunk und die Online-Dienste stehen unter seiner Leitung. Das ist kein Zufall, denn langfristig sollen Zeitung, Fernsehen, Radio und die neuen Medien zusammenarbeiten. Die Eigenständigkeit bleibt, aber die Vernetzung nimmt zu.
So verschiedenartig die Medien auch sind, eines gilt für sie alle: die journalistische Unabhängigkeit. „Sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“, hatte einst der Fernsehjournalist Hanns Joachim Friedrichs gesagt. Die Distanz muss gewahrt bleiben, auch zur Landeskirche. „An Weisungen sind wir nicht gebunden“, sagt Tobias Glawion.
Das hat nichts mit seiner Loyalität zu tun. Glawion schätzt die Volkskirche, ihre Strömungen, die Respekt und Toleranz lehren. Der Glaube verbindet, für Tobias Glawion ist er die Basis seiner Arbeit. „Ich bin ein frommer Mensch mit einem tiefen Glauben an den Gott der Bibel“, sagt er. Das unterscheidet ihn dann doch von den Vertretern der weltlichen Medien. Der Qualitätsanspruch ist der gleiche, aber der Bezugspunkt ein anderer. „Evangelische Publizistik“, sagt Glawion, „ist eine Lebensäußerung der Kirche.“ Glaubensinhalte auf journalistische Weise dargestellt, dem Leser, der Wahrheit und den christlichen Grundwerten verpflichtet.