In dieser Deutung wird die Generationenfolge der 40 Geschlechter als eine reich gefüllte Zeit kenntlich, in der der lebendige Gott sein Volk begleitet. Zugleich wird Jesus als der 41. erkennbar. So tritt in Jesus, dem Messias, wie Matthäus 1,1 ihn nennt, das Neue hervor.
Aber auch die so betonten drei Mal 14 könnten gut als Weg verstanden werden: Denn es sind 42 Stationen auf dem Weg Israels durch die Wüste (4. Mose 33). Diese werden sogar aufgebrochen in ein Mal 14 und zwei Mal 14. Die Aussendung der Kundschafter erfolgt nach der 14. Station. Da aber das Volk die Gabe des Landes furchtsam zurückweist, folgt ein Reinigungsweg durch die Wüste, der weitere 28 Stationen (ein Mal 14) umfasst.
Einfacher und naheliegender jedoch ist die Deutung der 14 als gematrische Zahl. Die Gematrie nutzt den Umstand, dass die hebräischen Buchstaben zugleich auch als Zahlzeichen verwendet werden. So können Zahlen und klare rhythmische Strukturen als Bedeutungsträger für Inhalte dienen, die nicht ausdrücklich durch Worte benannt sind. Auch diesen Umgang mit der Qualität von Zahlen kennt das Alte Testament: Gad, der Sohn Jakobs, ist der siebtgenannte Sohn und hat selbst sieben Söhne (1. Mose 46,16). Sein Name bedeutet Glück und hat dazu den Zahlenwert sieben: G steht für die Drei, D steht für die Vier, macht zusammen sieben. Die Qualität der Sieben ist die Ganzheit, die Sieben ist die Vollzahl. Wenden wir die Gematrie auf Matthäus 1 an, dann leuchtet in der dreifach genannten 14 der Name David (hebräisch DaWiD geschrieben) auf: D steht für die Vier, W für die Sechs, D für die Vier, macht zusammen 14.
Die Zahl 40 symbolisiert die Reifezeit
Jeder davidische König auf dem Zion war Gesalbter, Messias. Mit der Krönung war auch die Adoption zum Sohn Gottes verbunden (Psalm 2,6-7). Auch als der Messias, aufgrund des fortgesetzten Scheiterns der Davidsdynastie, immer mehr zu einer von Gott direkt erwarteten Gestalt wurde (Jesaja 7), blieb doch seine Abstammung von David zentral wichtig. So ist der Ruf nach dem Sohn Davids tiefer Ausdruck der Sehnsucht nach dem endgültigen König. Wo dieser Davidssohn auftritt, tritt auch das Volk der Heilsgeschichte als Israel wieder hervor (Matthäus 9,27-33).
Der „Buchstabenbaum“ zeigt die hebräischen Schriftzeichen mit ihren Bildzeichen und ihrer gleichzeitigen Verwendung als Zahlen. Foto: Kunstverlag Weingarten, 1985
Der Stammbaum Jesu ist in seiner dreifachen 14er-Struktur durch und durch geprägt vom Davidsnamen. Dieser ist das Wasserzeichen der Echtheit, das den Messias kennzeichnet. Doch wie wird Jesus Teil der Familie Davids? Matthäus 1 berichtet in rechtlich korrekter Sprache von der Verbindung Josefs zu Maria. Sie ist nicht nur verlobt, sondern durch die Bezahlung des Brautpreises mit Josef legal verheiratet. In einem weiteren Schritt, der bis zu einem Jahr nach der Besiegelung der Ehe vollzogen werden kann, wird die junge Frau feierlich in das Haus ihres Mannes übergeben. Matthäus 1,18 berichtet von Maria im Stadium zwischen der rechtlichen Eheschließung und ihrem Übergang in das Haus Josefs. Die unerklärte Schwangerschaft führt dazu, dass Josef sich scheiden lassen will. Die Traum-Erfahrung einer göttlichen Intervention führt zu einer Sinnesänderung: Jesus wird zum Davidssohn, weil Josef ihn in seine Familie adoptiert. So steht unter dem Stammbaum Jesu ein dreifaches „David“. Das ist im biblischen Hebräisch Ausdruck letzter Steigerung (wie beispielsweise auch in Jesaja 6,3: „Heilig, heilig, heilig“).
Doch dann lohnt sich ein Blick auf die Details. Denn der Stammbaum im Matthäusevangelium listet nicht einfach Väter von Vätern Jesu auf. Diese Form des Stammbaums, aufsteigend die Väter aufzuzählen, zurück bis zum Stammvater, finden wir beim Evangelisten Lukas. Matthäus aber fasst den Stammbaum in die Form einer Genealogie, die beim Gründungsvater beginnt und von dort aus anhand bedeutetender Namen die Geschichte Israels erzählt. Das ist ja der Sinn der Stammbäume im 1. Buch Mose, auf die Matthäus ausdrücklich Bezug nimmt. Wir kennen das auch heutzutage, indem wir zum Beispiel die Geschichte der Bundesrepublik anhand ihrer Kanzler markieren.
Matthäus setzt in dieser Genealogie wichtige Marker: So können wir zunächst die ersten 14 als die Väter und Mütter erkennen, die zweiten 14 sind Könige und die dritte 14 besteht aus Namen von Priestern. Das sind in der Tat die Gruppen, aus denen die hervorragendsten Gestalten der Geschichte Israels kommen. Die großen Themen des menschlichen Lebens kommen auch in der Geschichte Israels zum Tragen. Matthäus akzentuiert bestimmte Themen durch seine Gliederung. Besonders aussagekräftige Namen sind jeweils auf die Siebener-Positionen gesetzt.
Hier hat Matthäus an einigen Stellen steuernd eingegriffen, indem er bereits im Alten Testament vorliegende Genealogien gekürzt hat. Solche offensichtlichen Kürzungen oder Erweiterungen beim Zitieren von Texten würden wir heute als Verfälschung verurteilen. In der antiken Textwelt aber sind solche Markierungen wohlbekannter Texte durchaus üblich. Das Original soll dabei nicht überschrieben oder gar verfälscht werden. Die bewusst gesetzten und sich selbst kenntlich machenden Änderungen sind vielmehr die Art, wie ein Autor den zitierten Text kommentiert und erläutert. Er zeigt so, wie er die alten Texte versteht.
Folgen wir diesen Siebener-Positionen im Stammbaum des Matthäus, ergibt sich ein eindeutiges Bild: Im ersten Drittel steht Ram an siebter Stelle. Dabei handelt es sich um einen Feind Israels von Anfang an, der erst von David überwunden werden kann (2. Samuel 8,5-13).
Frauen mit besonderer Bedeutung
Im zweiten Drittel, dem Königsdrittel, steht auf der siebten Position Usija, der mit Aussatz geschlagen war (2. Könige 15,5). Auf der 14. Position finden wir Jechonja. Er lebte als Gefangener und trägt sogar den Beinamen: Der Gefangene (1. Chronik 3,17).
Im letzten, dem Priesterdrittel, finden wir an der siebten Stelle den Priesternamen Achim, der zugleich auf die Tempelsäulen verweist: Die eine heißt „Aufrecht“, die andere „Kraft in ihm“ (1. Könige 7,21).
Selten werden im Rahmen einer Genealogie Frauen genannt. Doch Matthäus schreibt von Tamar, Rahab, Ruth und Batseba. Sie alle zeichnet nicht nur aus, dass sie Großes geleistet haben für Israel, sondern auch dieses, dass sie nicht aus Israel, sondern aus anderen Völkern stammen. So stehen sie in besonderer Weise für die Erfüllung der Verheißung, die schon Abram hörte: Der am Ende das Heil bringt, schafft das nicht nur für Israel, sondern bringt den Frieden für alle Völker.
So hat Matthäus es vermocht, mit seinem Stammbaum eine aussagekräftige Ouvertüre seines Evangeliums zu schaffen, die unmissverständlich zeigt, von welcher Art der Davidssohn ist, der als Messias Jesus kommt: Er überwindet Feindschaft, heilt Krankheit, befreit Gefangene und ist der Friedefürst für alle Völker.
◼ Jürgen T. Schwarz im Internet: www.bibeltrainingschwarz.de