In Hauths Amtszeit fällt auch eine Kampagne der katholischen Kirche in Nürnberg, in der die Umwandlung eines Turms auf dem NS-Reichsparteitagsgelände in einen Kirchturm gefordert wird. Motto: „Der Sieg des Kreuzes über das Hakenkreuz.“ Das Vorhaben scheiterte und man kann nur vermuten, dass auch der Katholik Theodor Hauth empört war.
Also wird er da aktiv, wo er das alleinige Sagen hatte: im Justizpalast in der Fürther Straße. Dort nimmt er den Umbau des Saales 600 zum Anlass, ein Zeichen zu setzen: Just an jener Stelle, an der vor den Kriegsverbrecherprozessen ein Bild Hitlers hing. Das Kreuz verdrängt das Hakenkreuz: In seinem eigenen Wirkungsbereich konnte Hauth das verwirklichen, was ihm öffentlich verwehrt geblieben war. Das zumindest legen die Begleitumstände nahe, eine genaue Erforschung des Themas seitens der Historiker hat es bisher allerdings nicht gegeben. Unzweifelhaft ist jedoch, dass der Gerichtspräsident in den zehn Jahren seiner Amtszeit alles dafür tat, die Geschichte fernzuhalten. Kein Nürnberger Richter hat sich der Vergangenheitsbewältigung so sehr widersetzt wie Theodor Hauth. Brüsk lehnte er etwa eine Anfrage des italienischen Fernsehens ab, die am Originalschauplatz der Nürnberger Prozesse einen Dokumentarfilm geplant hatten.
Mehrere hundert Menschen pro Jahr wollten auch in den Sechzigerjahren den Saal 600 besichtigen. Es waren zumeist interessierte Ausländer, vor allem Amerikaner. Hauth erteilte ihnen allen eine Absage, erklärte die Besuchsgenehmigung fortan zur Chefsache. Bis zu seinem Ausscheiden 1969 bekamen den Schwurgerichtssaal folglich nur Teilnehmer von Gerichtsverhandlungen zu sehen.
Für Hauth markierte das Kreuz im Gerichtssaal so auch einen Schlussstrich unter die Vergangenheit. Kurz und knapp vermeldete die Lokalzeitung am 15. Oktober 1962: „Im neugestalteten Schwurgerichtssaal wurde ein großes metallenes Kruzifix angebracht. Es hat ein Gewicht von vier Zentnern.“ Kein Wort über Hintergrund, Auftraggeber und Bedeutung.
In den Siebzigerjahren setzte allmählich eine Bewusstseinswende ein. Nun wurde der Gerichtssaal 600 sporadisch auch für historisch Interessierte geöffnet. In den Achtzigerjahren fanden dort erste Kongresse zum Thema Nürnberger Prozesse statt, ab dem Frühjahr 2000 an den Wochenenden regelmäßige Geschichtsführungen.Im Herbst 2010 schließlich wird im Justizpalast ein Museum eröffnet. Das „Memorium Nürnberger Prozesse“ lockt jährlich viele Tausend Besucher an. 70 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland, „es ist das internationalste Museum, das wir in Nürnberg haben“, sagt der Historiker Andreas Mix, der seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter ist.
Über das riesige Kreuz im Gerichtsaal hat er sich selbst gewundert. An seiner früheren Wirkungsstätte Berlin „einfach undenkbar“, wie er sagt. Das Kreuz irritiert auch Besucher. Immerhin finden hier ja noch Verhandlungen statt. „Habt ihr keine Trennung von Kirche und Staat?“, wollen viele wissen. Selbst der Sicherheitsdienst um Ugur Karali wird regelmäßig mit Fragen gelöchert.
Bei manchen Führungen lautet die leicht scherzhafte Erklärung: „Wir sind halt in Bayern.“ Tatsache ist allerdings, dass im Falle eines Falles das Kreuz zugehängt werden muss, wenn es die Umstände eines Prozesses erfordern. Abhängen kommt bei zwei Metern und vier Zentnern nicht in Frage.
Über kurz oder lang hat sich dieses Problem ohnehin erledigt. Spätestens 2021, wenn der Neubau des Gerichtes fertig ist, wird der Saal 600 ans Museum übergehen. Zurückgebaut in den Zustand der Nürnberger Prozesse wird er wohl nicht, wie es der damalige bayerische Finanzminister Markus Söder 2015 angeregt hatte. Dann hätte man übrigens das Kreuz wieder abnehmen müssen, ausgerechnet auf Vorschlag von dem, der es nun in allen Amtsstuben verbindlich haben möchte.
Doch die Museumsmacher sind sich einig, dass baulich alles bleiben soll, wie es jetzt ist. Höchstens ein paar Erklärungen werden dazukommen, im Idealfall auch jene, warum im Zentrum des Raumes ein Kreuz zu finden ist, das größer ist als alles, was die Menschen bisher in einem Gerichtsgebäude gesehen haben.
Information über das „Memorium Nürnberg Prozesse“
Das „Memorium Nürnberg Prozesse“ (Bärenschanzstraße 72) ist täglich außer Dienstag geöffnet (9 bis 18 Uhr, Wochenende 10 bis 18 Uhr). Eintritt 6 Euro, es gibt Führungen. Der historische Gerichtsaal 600 kann zu verhandlungsfreien Zeiten besichtigt werden:
Telefon 0911-32179372
Internet: www.museen.nuernberg.de/memorium-nuernberger-prozesse