Diesen einfach nach dem Ende der Liegezeit, wie das heißt, abräumen? Noch immer ist der Ort der Urne des ersten Kindes, das im Jahr 2004 dort bestattet wurde, in der Anlage sichtbar. Andererseits reicht ein Blick in die überfüllten Schmetterlingsflügel, um zu sehen: Die Anlage ist voll.
Schmetterling I heißt sie. Weil es jetzt Schmetterling II gibt. Sie ist eröffnet, und für den Ersten Bürgermeister Cord Soehlke war ihre Anlage eine pure Notwendigkeit: „Wenn man sein Kind noch nicht einmal begrüßt hat und schon Abschied nehmen muss, ist ein Ort dafür wie dieser sehr wichtig.“
Der Gemeinderat hat das Geld für die neue Anlage bereitgestellt, und auch die Pflege geht auf Rechnung der Stadt. So bleibt Schmetterling I unverändert: „Das ist eine große Erleichterung für die Eltern“, sagt Bernd Walter. „Schmetterling II ist ein Ort, der gut tut, der tröstet und in der Trauer unterstützt.“
Schmetterling. Foto: DreamyArt, pixabay
Gestaltet ist er wieder mit einem Rund in der Mitte, für den die Metzinger Steinmetzin Anja Schweizer eine Schmetterlingsskulptur geschaffen hat. „Metamorphose“ hat sie die Skulptur genannt und die Stadien eines Schmetterlingslebens dargestellt: „Das ist ein großes Wunderwerk der Natur. Es geht immer im Zyklus ohne Anfang und Ende.“ Das sei unendlich tröstlich: „Materie geht nicht verloren, sondern verwandelt sich und vergeht nie.“
Ermöglicht wurde diese Skulptur durch eine Spende der evangelischen und katholischen Klinikseelsorge. Das ökumenische Team hat 10 000 Euro dafür gesammelt. Die evangelische Klinikseelsorgerinnen Eike Baumann und ihre katholische Kollegin Beatrix Schubert überreichten einen symbolischen Scheck an Cord Soehlke, und Eike Baumann sprach noch ein Segensgebet. In einer Ansprache erinnerte Beatrix Schubert an die Zeiten vor den 90er-Jahren, in denen totgeborene Kinder als organischer Abfall klassifiziert wurden.
Immerhin verpflichte seit 2009 das baden-württembergische Bestattungsgesetz die Kliniken, jedes nicht lebend auf die Welt gekommene Kind zu bestatten. Das geschieht jährlich zweimal in Sammelbestattungen – zwei Tage nach der Einweihung wurden die ersten Gräber von Schmetterling II belegt.
Die Bestatter verzichten dabei darauf, Kosten in Rechnung zu stellen. „Das zeigt, welcher Geist in Tübingen weht“, sagte Beatrix Schubert, die für die Tübinger Großzügigkeit zwei weitere Beispiele anführte: Eltern können hier auch Einzelbestattungen machen, und auch Kinder, deren Eltern nicht hier leben, können hier bestattet werden: „Das ist weit mehr an Angebot als in anderen Städten.“
Seelsorgerinnen Eike Baummann und Beatrix Schubert bei der Einweihung der Grabanlage Schmetterling, Bergfriedhof Tübingen. Foto: Wolfgang Albers