Ein Blick auf die Uhr, es ist schon kurz vor halb neun. Der nächste Termin ruft: Besuch in der nächsten Morgenrunde, diesmal auf der Station für Drogenentzug. Patienten warten im Gang, zwei Mitarbeiter des Zentrums für Psychiatrie schließen eine Tür auf, es geht eine Treppe hinauf in einen Raum unterm Dach. Zwölf Patientinnen und Patienten setzen sich auf Stühle, die im Kreis stehen. Zwei Mitarbeiter des Zentrums stellen das Programm der Gruppe für heute vor: Um 9.30 Uhr Spaziergang für alle, um 11 ist Sport, am Nachmittag eine offene Gesprächsgruppe mit Pfarrer Gruhn. „Wer Fragen hat, hat hier Platz“, wirbt Gruhn. „Ist die Teilnahme Pflicht?“ will einer der Patienten wissen. „Ja, da haben sie genau zugehört“, bestätigt Gruhn. „Ich hole sie ab.“ Auch hier stellt Gruhn das freiwillige Angebot zur Seelsorge vor, und hier, wie auch schon auf der Station zuvor, lädt er zur Andacht am Mittwochabend und zum Sonntagsgottesdienst ein.
Klinik-Seelsorger Gruhn: Ich bin nicht der Retter, sondern ich habe einen
Nach dieser Runde ist eine Stunde Pause, danach geht es zur Gesprächsgruppe in die Tagesklinik der Klinik für Suchttherapie. Später rührt Gruhn seine Werbetrommel auf der Station für Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung. Dieses Mal geht es aber nicht nur um das Vorstellen seiner Arbeit, sondern auch um das Thema „Sinn und Sucht“. „Wieso habe ich einen Rückfall erlebt und wie kann ich das künftig verhindern?“ So und ähnlich lauten die Fragen, die heute von den Teilnehmern kommen. Gemeinsam erarbeiten sie mit dem Pfarrer zusammen mögliche Strategien.
Die Tage von Andreas Gruhn sind nicht immer so stark durchgetaktet wie heute. Dienstags besucht er unterschiedliche Stationen, um sich vorzustellen. An anderen Tagen hat er Zeit für Gespräche, für Seminare oder geistliche Angebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums, damit diese innerlich mal auftanken können. Oder für neue Angebote. Eine Idee ist das Singen mit älteren Demenzkranken. Wenn die nämlich die erste und zweite Strophe eines bekannten Kirchenliedes singen, dann kämen Erinnerungen an alte Zeiten hoch, und die Menschen würden von sich erzählen. Deshalb macht er heute außerplanmäßig Halt in der Station für Alterspsychiatrie. Seine Initiative stößt auf offene Türen.
Klinik-Seelsorger: Einfach da sein und über das unmittelbare sprechen.
Gerade, als Gruhn die Station verlassen will, wird er von einer Seniorin mit Rollator angehalten. Sie sei gestürzt, und seit die Blessuren verheilt sind, dürfe sie nicht mehr nach Hause, erzählt sie. Dort will sie aber wieder hin. „Und sie wissen gar nicht, wie ihnen geschehen ist, gell?“, fragt Andreas Gruhn. Er spricht der Frau Mut zu. „In diesen Situationen hilft es zu wissen, dass ich nicht der Retter bin, sondern einen Retter habe. Ich bin Begleiter auf dem Weg.“ Da hilft es, „einfach da zu sein und mit den Menschen über das zu sprechen, was sie unmittelbar angeht“, wie er es formuliert.
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