Der Ort ist eine Nebenresidenz des Fürstenhauses. Noch heute kündet der Schlossplatz von diesen Zeiten und einer Stadt, die bis 1945 ein Schmuckstück war. Dann wird sie so gründlich zerstört wie kaum ein anderer Ort dieser Größenordnung. Als die Amerikaner im April 1945 Crailsheim schon erobert hatten, holten sich die Deutschen die Stadt zurück – mit verheerenden Folgen. Von der Altstadt blieben fünf Prozent übrig.
Rathausturm Crailsheim und Johanneskirche, Stationen auf dem Reformationsweg. Foto: Andreas Steidel
Es grenzt an ein Wunder, dass die große Johanneskirche den Bombenhagel überlebt. Sie ist heute die erste Station eines Reformationsweges in Crailsheim, der an zwölf verschiedenen Punkten die Glaubensgeschichte lebendig werden lässt. Um das „Bekenntnis“ geht es an der Johanneskirche, am Fuße einer Stele sind die vier reformatorischen Prinzipien eingraviert: Sola fide, sola gratia, sola scriptura, solus Christus – nur der Glaube, die Gnade, die Schrift und Jesus zählen.
Dementsprechend werden fast alle Heiligenaltäre verkauft. Doch die Crailsheimer sind Lutheraner und in der Bilderfrage nicht so streng. Deswegen bleibt der große spätgotische Passionsaltar im Chor der Johanneskirche erhalten. Er ist heute dort der wertvollste Schmuck, ein Werk aus der Nürnberger Werkstatt Michael Wolgemuts, bei dem schon Dürer in die Lehre ging.
Ganz am Anfang seiner Crailsheimer Pfarrerzeit ist Adam Weiß den Ideen Zwinglis nicht abgeneigt. Doch das ist nur ein Intermezzo. Weiß gerät immer mehr unter den Einfluss des Schwäbisch Haller Predigers Johannes Brenz, eines überzeugten Lutheraners.
1529 begleitet Adam Weiß seinen Landesherrn zum Reichstag der Protestation in Speyer und ist auch 1530 mit von der Partie, als Brandenburg-Ansbach zu den Unterzeichnern des Augsburger Bekenntnisses gehört. Nun ist der Crailsheimer Pfarrer in der ersten Reihe der Reformatoren angekommen, doch ihm bleibt nicht mehr viel Zeit: Bereits 1534 stirbt Adam Weiß. Er wird im Chor der Johanneskirche begraben.
Von Adam Weiß hat sich kein Bildnis und keine Predigt erhalten. Wohl allerdings gibt es noch die Bibliothek, die er mit zahlreichen Anmerkungen der Stadt vermacht hat. Jahrelang war sie in seinem Wohnhaus am Kirchplatz 6 untergebracht. Im 19. Jahrhundert wurde es durch einen Neubau ersetzt. Zum Gedenken an Weiß und seine Bücher heißt der Ort bis heute trotzdem „Liberei“ – die zweite Station auf dem neuen Reformationsweg.
Eine andere Stele der Reformation führt vor die Tore der einstigen Stadtmauer, zum alten Gottesacker, der ab 1545 neuer evangelischer Friedhof wird. Die Pest hatte die Bestattungen außerhalb der Innenstadt notwendig gemacht, doch kommt darin zugleich eine Veränderung der Friedhofskultur zum Ausdruck, die in engem Zusammenhang mit der Reformation steht: Die für Katholische wichtige Einheit von Lebenden und Toten, von geweihter Kirche und Kirchhof ist nun nicht mehr wichtig.
Rund 300 Jahre wird Crailsheim eine rein evangelische Stadt bleiben. Der 1717 errichtete, 57 Meter hohe Rathausturm soll an das 200-Jahr-Jubiläum der Reformation erinnern. Erst im 19. Jahrhundert, als Crailsheim über den Umweg Preußen und Bayern schließlich an Württemberg geht, beginnt sich allmählich auch eine katholische Gemeinde zu etablieren.
Stelen am Friedhof Crailsheim, am Schloßplatz und bei der Bonifatiuskirche. Foto: Andreas Steidel
Dass sie sich am Reformationsweg in Crailsheim beteiligt hat, gehört zu den ganz erstaunlichen Tatsachen der jüngsten Vergangenheit. Eine Station liegt sogar direkt vor der katholischen Bonifatiuskirche. Auch der Bildhauer Rudolf Kurz, Künstler des Reformationsweges, ist ein Katholik, noch dazu aus dem schwäbischen Ellwangen. Das spricht für einen ökumenischen Geist sowie für einen, der Grenzen überwindet. □