Eigentlich hätte es in Herrenberg ja der Konfirmationsgottesdienst sein sollen, doch an Konfirmation ist derzeit nicht zu denken. Verschoben in den Oktober, in der Hoffnung, dass dann endlich wieder alles normal läuft. Jetzt aber treten die Menschen einzeln ein, mit Mundschutz vor dem Gesicht. Vielen, vor allem Älteren, macht das sichtlich Mühe. Sie sind froh, wenn sie sitzen und die Maske wieder abstreifen können.
Am Anfang und am Ende bedecken alle Nase und Mund, auch Dekan Eberhard Feucht und Pfarrerin Friederike Schmalfuß. „Ein Zeichen“, sagen sie, „dass wir das ernst nehmen.“ Was die Leute tun, wenn sie am Platz sind, ist dann ihre Sache. Wichtig nur, dass ein Abstand von zwei Metern gewahrt wird und niemand durch die Reihen geht.
Um Punkt 10 Uhr beginnt der Gottesdienst. Er fällt deutlich kürzer aus als sonst. 35 bis 40 Minuten lautet die Vorgabe der Landeskirche. Das „Ehr sei dem Vater“ fällt weg, die Anrufung bei den Fürbitten. Auch eines der Gemeindelieder wurde gestrichen. Wobei Gemeindelieder ohnehin nur heißt, dass die Gemeinde zuhört. Sie bekommt etwas geboten in der Stiftskirche. Kirchenmusikdirektor Ulrich Feige und seine Frau Christa, die ebenfalls Kirchenmusikerin ist, ziehen alle Register. „Wir haben lange gerungen, wie wir’s machen sollen“, gibt Ulrich Feige zu. Dann entschieden sie sich für das volle Programm. Selbst der Psalm wird zur musikalischen Darbietung und jedes Lied in einer anderen Konstellation vorgetragen: Mal im Duett gesungen hinter dem Altar, dann solo mit Klavier oder von der Orgel-Empore herunter. „Du meine Seele singe“, „Lobe den Herrn, meine Seele“, „Geh aus mein Herz“: Es ist fast ein Konzert, das die Besucher bekommen, ein kleiner Trost dafür, dass sie selbst nicht lauthals einstimmen dürfen.
Stiftskirche Herrenberg, Kirchenmusikdirektor Ulrich Feige und seine Frau Christa. Foto: Andreas Steidel
„Wir hören Gottes Wort und die Musik und unser Herz darf einschwingen“, hatte Pfarrerin Friederike Schmalfuß zu Beginn des Gottesdienstes gesagt. Es war der erste seit dem 15. März, der in der Stiftskirche gefeiert werden konnte. Acht Wochen ohne, die mit Digital- und Videoangeboten überbrückt wur-den. Auch dieser Gottesdienst wird gefilmt und ins Internet gestellt, „wir wollen dranbleiben, auch weil es so gut genutzt wurde“, sagt Dekan Feucht.
Schon nach 15 Minuten beginnt die Pfarrerin mit der Predigt. Von Corona ist die Rede, von Tod, Isolation und Trauer, aber auch der Freude, dass man die Gegenwart Jesu erleben kann. „Unsere Kirchen sind besondere Orte“, sagt sie. Orte, an denen man die Nähe zu Gott spüren kann.
Erster Gottesdienst nach Corona Lock-down - Abschied ohne Händedruck
Der Mitmensch hingegen bleibt auf Abstand. Es sei denn, er gehört in den gleichen Haushalt, weshalb etwa die Hälfte der Plätze für Paare reserviert ist. Um 10.40 Uhr ist schließlich Ende. Nur das Totengedenken dauert länger: Seit dem 15. März sind neun Personen gestorben, mehr gab es nie bekanntzugeben am Ende eines regulären Sonntagsgottesdienstes.
Die Menschen gehen so still hinaus, wie sie gekommen sind. Pfarrerin Schmalfuß nickt, wünscht einen schönen Sonntag, der Händedruck bleibt aus. Alle tragen jetzt erneut Masken, erst draußen beginnen die Gottesdienstbesucher zu plaudern. Die meisten sind froh, dass es nun wieder begonnen hat. „Es war schön, mit anderen in die Kirche zu gehen“, sagt Christa Holzäpfel.
Alleine durfte man dies auch während der Corona-Pause, die Stiftskirche blieb offen. „Wir waren jeden Sonntag einmal da“, gibt das Ehepaar Reinhold und Gabriele Dettmer zu. Sie hatten die Kirche dann stets für sich, weil mehr als zwei Leute nicht gestattet waren.
Weiter Abstand, wenig Leute: Stiftskirche Herrenberg beim ersten Gottesdienst nach der Corona-Pause. Paare durften dabei zusammensitzen. Foto: Andreas Steidel
Für Eberhard Feucht, die Pfarrer sowie die Kirchengemeinderäte heißt es nun Bilanz ziehen. Was lief gut, wo müssen wir noch etwas verbessern? Fürs Erste ist der Dekan zufrieden. „Wir waren gut vorbereitet“, sagt er. Die Zettel mit den Namen und Telefonnummern nimmt er mit, verbunden mit der Hoffnung, dass er sie nie brauchen wird. □