Faschistische Politik stütze sich auf Mythen, die von einer glorreichen Vergangenheit der jeweiligen Nation erzählen. Dabei geht es, so schreibt Stanley, nicht um historische Wahrheit, sondern darum, Bilder und Emotionen zu erzeugen, die einmünden in den Glauben „Früher war alles besser“. Unangenehme Wahrheiten der Geschichte würden einfach ausgeblendet, in manchen Ländern steht ihre Erwähnung sogar unter Strafe, wie beispielsweise in Polen oder der Türkei. Zu dieser glorreichen Vergangenheit gehört auch, so Stanley, das Bild der patriarchalisch geprägten Familie. Darin hat der Mann das Sagen, die Frau ist für Kinder und Haushalt zuständig. Frausein werde mit Mutterschaft gleichgesetzt, weil das ja „in der glorreichen Vergangenheit auch schon so war“. Und wie der Vater das Sagen in der Familie hat, so hat es eben auch der „Führer“.
Propaganda spielt laut Stanley eine große Rolle in faschistischer Politik. Sie setze zum Beispiel Demokratie gleich mit Korruption, kritisiere die unabhängige Gerichtsbarkeit und höhle Begriffe aus. Freiheit zum Beispiel bedeute in diesem Zusammenhang nicht Freiheit für alle, sondern die Freiheit, den „Führer“ zu wählen, der sich dann später auch nicht mehr zur Wahl stellen muss. Zudem gibt es laut Stanley in der populistischen Weltsicht nur einen legitimen Standpunkt, nämlich den der dominierenden Nation. Ziel sei es, Mythen als Fakten darzustellen und im öffentlichen Raum vernünftige Diskussionen durch irrationale Ängste zu ersetzen. Wenn rechte Propaganda an amerikanischen Universitäten verboten wird, heiße es von Seiten der Rechten sofort, dass die Hochschulen die Meinungsfreiheit unterdrückten, schreibt Stanley. Universitäten seien für Populisten und Faschisten nicht dazu da, den lebendigen Austausch zwischen verschiedenen Standpunkten zu befördern, sondern nur dazu, das geschlossene faschistische Weltbild zu untermauern. Tun sie das nicht, dann sind sie aus Sicht von Faschisten eben Betrüger.
Lüge, Unwirklichkeit und Hierarchie - Säulen populistischer und faschistischer Politik
Mit „Unwirklichkeit“ betitelt Jason Stanley einen weiteren Punkt in der Agenda populistischer und faschistischer Politik. Wenn liberale Universitäten als betrügerisch bezeichnet werden und Propaganda fortschreitet, dann wisse die Mehrheit der Bevölkerung irgendwann nicht mehr, was wahr ist und was nicht. Regelmäßiges Lügen gehöre für faschistische Politik dazu. Da spielten auch Verschwörungsmythen hinein. Bei denen sei es egal, dass sie falsch sind. „Sie sind gefährlich, weil sie einfache Antworten geben auf große Bedrohungen und irrationale Ängste“.
Hierarchien seien für faschistische Politik ebenso wichtig, schreibt Jason Stanley. Männer dominierten in diesem faschistischen Weltbild Frauen. Weiße seien wertvoller als Schwarze. Die auserwählte Nation herrscht in diesem Denken über alle anderen. Und die Menschen würden unterschieden in diejenigen, die hart arbeiten, und die Faulen. Die liberale Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen verstößt aus dieser Sicht gegen die natürliche Ordnung.
Jason Stanley stellt fest, dass viele, die an populistische Mythen glauben, sich selbst als Opfer sehen. Beispielsweise erzeuge die Gleichstellung der Schwarzen in den USA das Gefühl von Diskriminierung in der weißen Bevölkerung: 45 Prozent der Trump-Unterstützer glauben, dass die Weißen die am meisten diskriminierte Bevölkerungsgruppe in den USA seien. Jason Stanley begründet das so: „Wer eine mythische Vergangenheit verkündet, befördert unrealistische Erwartungen. Wenn diese nicht erfüllt werden, fühlt es sich für die Betroffenen an, als seien sie Opfer.“
Verschwörungstheoretiker - Opfer, die keine sind
Der Ruf nach „Law and Order“, also nach „Recht und Gesetz“, der nicht nur in den USA zu hören ist, sei auch eine fatale Entwicklung. „Denn in einem liberalen demokratischen Staat sind die Regeln für Recht und Ordnung von Grund auf fair.“ Wohingegen faschistische Politik die Bürger in zwei Klassen einteilt: Die Angehörigen der auserwählten Nation, die von Natur aus das Recht auf ihrer Seite haben und diejenigen, die der Nation nicht angehören und deshalb keine Rechte haben. Letzeres beträfe etwa Frauen, die nicht in die traditionelle Geschlechterrolle passen genauso wie Immigranten: Sie alle verletzten das populistische Verständnis von Recht und Ordnung. Jede Infragestellung des patriarchalen Verständnisses von Männlichkeit sei eine Bedrohung. Freiheit und Gleichheit seien zu bekämpfen. Faschistische Ideologie zeichnet auch ein Bild vom heilen und reinen Leben auf dem Lande, während in den Städten das Böse wohnt. Und Nicht-Angehörige der herrschenden Klasse werden als faul bezeichnet. Gleichzeitig erließen Faschisten Gesetze, die „den anderen“ die Arbeit untersagen. So schaffe eine faschistische Regierung Bedingungen, durch die aus Lüge Wahrheit wird.