Sehnsucht nach Einheit im Glauben
Die Bitten auf den schmalen Stoffresten sind mal von kindlicher Hand geschrieben: „Lieber Gott, ich wünsche mir, dass alle Kinder etwas zu essen haben.“ Mal belegen sie tiefe Glaubenserfahrungen und Lebensweisheiten. „Echte Einheit besteht aus dem Reichtum der Verschiedenheit“, steht da unter anderem, und damit wird die tiefe Sehnsucht der Veranstalter dokumentiert: nach Einheit und Verbindung im christlichen Glauben.
Seinen regelmäßigen Beitrag leistet auch der katholische Pfarrer Stefan Maier. So lässt er immer pünktlich eine Viertelstunde vor sechs die Glocken läuten. Und wenn es um sechs Uhr regnen sollte, könnten die Friedensleute in die prachtvolle Barockkirche St. Verena oberhalb des Klosterplatzes einziehen. Allerdings war das in diesem Sommer bislang nicht nötig. Selbst wenn sich, wie am 1. September, dunkle Wolken am Himmel vorbeischoben – um 18 Uhr ist alles vergessen und der Klosterplatz von Sonnenlicht überflutet.
"Gib uns Frieden jeden Tag"
An diesem Tag haben Christine und Rainer Reschetzki von der neuapostolischen Kirche das Friedensgebet vorbereitet, Barbara Harscher begleitet mit der Oboe die bekannten Friedenslieder „Wo Menschen sich vergessen“ und „Gib uns Frieden jeden Tag“. Extra für die Gebetsrunde wurde ein kleines Heft mit sechs Liedern gedruckt, das vor jeder Andacht ausgeteilt und nachher wieder eingesammelt wird. Denn es soll ja weitergehen, dieses inständige Bitten um den Frieden in der Welt – was gerade an diesem Sonntag in Erinnerung an den Überfall auf Polen und damit den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 besonders eindrücklich vor Augen liegt.
Ökumenische Friedensinitiative
Bezüge zu aktuellen Ereignissen oder Gedenktagen hält die Bad Wurzacher Pfarrerin Barbara Vollmer, die die ökumenische Initiative sehr begrüßt, für durchaus wünschenswert. Gleichwohl sind sich die Aktiven einig, dass man sich gezielter politischer Äußerungen enthalten sollte.
Christine Reschetzki liest die Geschichte von Cornelius Schneider über „Das kleine Frieden“. Darin bringt der Autor auf den Punkt, wie schwierig es doch der Frieden in der Welt hat: gejagt, politisch missbraucht, unverstanden und in unserem Land – nach 74 Jahren – als alltägliche Selbstverständlichkeit nicht mehr wirklich wertgeschätzt. Wie Frieden funktionieren kann, hat bereits vor rund 800 Jahren Franz von Assisi in einem Gebet zusammengefasst, das Rainer Reschetzki spricht: „Herr mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist; dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel droht …“
An einer Leine reihen sich die Friedensanliegen rund um die Jahreslosung auf.
© Foto: Barbara Waldvogel
Friedensgebet weckt Hoffnung
Das gemeinsame Friedensgebet in Bad Wurzach weckt Hoffnung. Auch Hoffnung auf mehr. So wird es im Oktober vom Partnerschaftsverein erarbeitet. Und Christine Silla-Kiefer, Religionspädagogin und Prädikantin im Ruhestand, wünscht sich, dass eines Tages auch Muslime aus dem Städtchen mit seinem hohen Türken-Anteil auf dem Klosterplatz mitbeten können. Noch gehen sie vorbei, wenn sich die Menschenmenge beim eindrucksvollen Schlussgebet an den Händen hält und im großen Kreis gemeinsam das Vaterunser spricht.