Mit der Polizei hatten Tom und sein Freund schon öfter zu tun gehabt. 13-facher schwerer gemeinschaftlicher Diebstahl lautete die Anklage. Tom gestand und wurde im Anschluss an die Untersuchungshaft ins Jugendgefängnis Adelsheim überführt.
Die Haftzeit wurde für ihn zum Schlüsselerlebnis: „Mir wurde dort klar: So will ich nicht weiterleben. Das Schlimmste war, als ich vor meiner Mutter in Handschellen im Gerichtssaal stehen musste. Ihr schmerzerfülltes Gesicht werde ich niemals vergessen. Ich habe mich so sehr geschämt. In diesem Augenblick habe ich mir geschworen, dass ich ihr und mir so etwas nie wieder zumuten möchte.“
Tom hat wieder Ziele, die Zeit im Johannes-Falk-Haus hat ihm geholfen. Foto: Julian Rettig
Nach der Haftentlassung im Juli 2019 lässt Tom seinen Worten Taten folgen. Gemeinsam mit seinem Betreuer erarbeitet er sich Schritt für Schritt einen Plan für die Zukunft: Berufsausbildung abschließen, eine eigene Wohnung finden und später irgendwann eine Familie gründen. „Drogen habe ich seit dem Tag meiner Verhaftung nie wieder angerührt, obwohl ich im Gefängnis die Möglichkeit dazu gehabt hätte“, sagt Tom stolz. Selbsteinsicht sei das Allerwichtigste. „Erst dann kann die Hilfe von außen greifen“, erklärt er.
Sozialarbeiter im Johannes Falk Haus - Ein großes Herz für Außenseiter
Dennis Driehaus arbeitet seit 2016 im Johannes-Falk-Haus. In dieser Einrichtung der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart kommen vor allem männliche Jugendliche ab 16 Jahren unter, die soziale Schwierigkeiten haben oder sich in einer besonderen Lebenssituation befinden. Obwohl das Johannes-Falk-Haus ein Hilfsangebot für die Jugendlichen ist, fällt es diesen oft schwer, die Unterstützung anzunehmen. Schon während seines Studiums der Sozialen Arbeit in Stuttgart hat Dennis Driehaus erkannt, dass er in der offenen Jugendarbeit tätig sein will: „Mir liegen die Außenseiter am Herzen, über die nicht so oft in der Öffentlichkeit berichtet wird“, erzählt er. Seine Hilfe kann er den jungen Männern anbieten, aber nicht aufzwingen. Driehaus betreut zurzeit drei Bewohner in der Einzelfallhilfe, in der Regel eineinhalb Jahre lang. Seine Themen: Schuldenberatung, die Unterstützung seiner Klienten bei Behördengängen, ihre Begleitung im Alltag und deren psychosoziale Betreuung. „Ich zwinge niemanden dazu, mit mir zusammenzuarbeiten“, erklärt der Sozialarbeiter. Die Bewohner sollen von sich aus um Hilfe bitten.
Schlichte Zimmer: Das Johannes-Falk-Haus ist alles andere als luxuriös. Foto: Julian Rettig
Natürlich müssten die Ziele des Hilfeplans erfüllt sein, aber alle weiteren Betreuungsangebote würden auf Vertrauen und Freiwilligkeit beruhen. Driehaus betont: „Mit ‚müssen‘ geht hier wenig.“ Warum fällt es den Bewohnern im Johannes-Falk-Haus oft so schwer, Hilfe anzunehmen? „Das hat mit Selbsteinsicht zu tun“, erklärt der Sozialarbeiter. Die Jugendlichen müssten erst einmal erkennen, dass sie ein Problem haben und es alleine nicht bewältigen können. „Schwäche zuzugeben fällt ihnen oft sehr schwer.“
Dabei ist dieses Eingeständnis der erste Schritt auf dem Weg zur Veränderung. Nur wenn die Betroffenen ehrlich sich selbst gegenüber sind, können andere auf sie zugehen und Hilfe anbieten. Sich anderen gegenüber zu öffnen, das haben die Jugendlichen im Elternhaus oftmals nicht gelernt. Viele Bewohner des Johannes-Falk-Hauses haben schon seit ihrer frühesten Kindheit Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung erlebt.
„Deshalb ist es für mich immer am Wichtigsten, zunächst das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen. Erst danach können wir an weiteren Zielsetzungen in der Betreuung arbeiten“, sagt Dennis Driehaus über seine Arbeit.
Natürlich gäbe es in seiner täglichen Arbeit schwierige Situationen, wie etwa Streit oder Spannungen zwischen den Bewohnern: „Aber so ist das eben, wenn wir mit Menschen zusammenarbeiten. Gerade dieser Kontrast aus Freude und Belastung macht für mich den Reiz an meiner Arbeit aus.“
Trotz aller Herausforderungen erlebt Driehaus seinen Beruf als große Bereicherung. Es sind die kleinen Schritte, die für ihn zählen: Einen jungen Mann im Alltag zu stabilisieren oder mit ihm eine sinnvolle Tagesstruktur zu erarbeiten, das ist schon viel. „Ein Dankeschön erwarte ich nicht. Wenn ich spüre, dass es meinen Bewohnern hier besser geht, dann ist dies für mich die schönste Bestätigung in meiner Arbeit!“