Wäre ein Umbau nicht trotzdem günstiger gewesen?
Stefan Werner: Die Kosten einer Generalsanierung, die sehr umfänglich geworden wäre, hätten nur ganz knapp unter denen des Neubaus gelegen trotz der oben genannten Einschränkungen in der Bürostruktur. Der Neubau bringt hingegen erhebliche Vorteile, bezüglich der nutzbaren Flächen, ist günstiger in der Bewirtschaftung und ist wegen eines innovativen Heizungssystems nahezu CO²-frei zu betreiben und damit umweltfreundlicher.
60 Millionen Euro sind dennoch eine große Summe. Und weitere Kosten sind da noch gar nicht eingerechnet. Beispielsweise das Gebäude, in das der Oberkirchenrat übergangsweise einziehen muss, bis die Baumaßnahme abgeschlossen ist.
Stefan Werner: Die Alternative „60 Millionen oder nichts“ hat es aber aus den oben genannten Gründen überhaupt nicht gegeben, weil wir in die bestehenden Gebäude auch erheblich hätten investieren müssen. Die Kosten für ein Interimsgebäude hätten wir deshalb auch bei einer Generalsanierung gehabt, sie fallen von der gewählten Alternative an.
Der Kostenvoranschlag beruht darauf, dass die deunabhängig rzeitigen Anforderungen in Sachen erneuerbare Energien eingehalten werden. Jetzt sollen diese Vorgaben aber übererfüllt werden – das kostet ja noch viel mehr. Weshalb so ehrgeizig
Stefan Werner: Wir haben zunächst so geplant, dass wir die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Es war aber der Wunsch der Landessynode, dass wir beim Klimaschutz noch mehr tun. Das haben wir mit einer Eis-Solar-Speicherheizung umgesetzt. Die ist in der Anschaffung zunächst zwar teurer als konventionelle Heizungen. Aber diese Zusatzkosten amortisieren sich vergleichsweise schnell, weil der Einsatz fossiler Brennstoffe nicht mehr nötig ist. Die durchschnittliche Amortisationszeit solcher Anlagen liegt bei etwa zehn bis 15 Jahren. Das heißt, unterm Strich wird es nicht teurer, dafür aber umweltschonender. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass derzeit eine CO²-Steuer diskutiert wird und bei Gebäuden hauptsächlich die Heizungen CO² produzieren, dann ist das eine sehr zukunftsweisende Entscheidung, die dem kirchlichen Anspruch der Bewahrung der Schöpfung dient.
Hätte man das Grundstück auf der Gänsheide nicht verkaufen können und an anderer Stelle in ein Verwaltungsgebäude einziehen können?
Stefan Werner: Wir müssen mehr als 300 Arbeitsplätze unterbringen, dafür brauchen wir ein Verwaltungsgebäude in der notwendigen Größe. Hinzu kommen Sitzungsräume und ein Andachtsraum, weil wir als Kirche erkennbar sein wollen. Ein Verwaltungsgebäude in dieser Größe in Stuttgart hätte vor einem Jahr etwa 90 Millionen Euro gekostet, das wurde geprüft. Innerhalb eines Jahres sind die Anschaffungskosten weiter gestiegen. Die Mietkosten für ein solches Gebäude liegen bei über einer Million Euro pro Jahr. Daran sieht man, dass die Alternative Anmieten oder Ankaufen trotz der damit verbundenen Nachteile nicht wirklich günstiger ist. Wir wollen das Grundstück auf der Gänsheide aber auch halten, weil es uns als Kirche wertvoll ist und vermutlich weiter im Wert steigen wird.
Aber eine Kirchenverwaltung in der Stadtmitte hätte sicherlich auch ihren Charme ...
Stefan Werner: Ja, sicher, das hätte viele Vorteile, die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln beispielsweise. Andererseits haben wir hier auf der Gänsheide mehr Parkplätze, und das ist für die Besucher aus den Gemeinden auch wichtig. Das Haus der Katholischen Kirche in der Stuttgarter Innenstadt, das oft als alternatives Konzept angeführt wird, ist anders angelegt, es ist eher ein Begegnungs- und Tagungshaus, das ist der Oberkirchenrat von seiner Anforderung her so nicht.
Hätte man nicht auch auf dem platten Land bauen können
Stefan Werner: Der Standort ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Frage. Viele pendeln täglich aus dem ganzen Bereich der Landeskirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit nach Stuttgart, da ist eine gute Erreichbarkeit notwendig. Die Menschen sind eng vertaktet, müssen ihre Kinder in die Kita bringen, sich mit dem Partner absprechen. Wenn der Standort so grundlegend verlagert würde, dann könnte es auch zu Kündigungen kommen, weil die Mitarbeitenden eine längere Anfahrt nicht in Kauf nehmen wollen und können. Zudem ist es auch vorteilhaft, wenn die Kirchenverwaltung ihren Sitz in Stuttgart direkt hat: Der Weg zu Behörden und Ministerien ist dadurch kürzer und das ist nicht ohne Belang für die Arbeit des Oberkirchenrates.
In einigen Leserbriefen kam die Frage auf, was mit dem Kunstwerk „Durchzug durchs Rote Meer“ passiert.
Stefan Werner: Wir möchten im Gespräch mit der Künstlerin erreichen, dass das Kunstwerk im neuen Gebäude im Foyer untergebracht wird. Wenn wir nur sanieren würden, wäre genau dieses Kunstwerk auch bedroht, weil die ganze Treppenhausorganisation aus Brandschutzgründen umzustrukturieren wäre.
Bei sinkenden Mitgliederzahlen könnte es doch sein, dass es künftig viel weniger Mitarbeiter in der Verwaltung geben muss und damit auch kleiner gebaut werden könnte ..
Stefan Werner: Das könnte man in der Tat denken, aber die Erfahrungen sind andere. Die Kirche ist in einem Wandlungsprozess, da wird es zunehmend wichtiger, die Gemeinden zu beraten. Zudem haben sich auch rechtliche Vorgaben verändert, denken Sie an die Steuergesetzgebung, an Anforderungen zum Daten- oder Arbeitsschutz. Da sind Aufgaben hinzugekommen. Zunächst rechnen wir deshalb nicht mit einem erheblichen Mitarbeiterabbau. Der Neubau besteht künftig aus drei Baukörpern. So können wir bei Bedarf auch einzelne Gebäude separat vermieten, sollte das aufgrund der künftigen Mitarbeiterzahl einmal erforderlich werden. Das ist beim derzeitigen Bürokomplex nicht möglich, weil die Gebäude ineinander verwoben sind. Man kann hier nichts abtrennen und separat vermieten.
Wieso hat denn die württembergische Diakonie keinen Neubau bekommen? Da hat man ja das alte Gebäude grundsaniert.
Stefan Werner: Weil wir es dort auch mit einem denkmalgeschützten Gebäude zu tun hatten, das man von der Substanz erhalten wollte. Dort gab es bereits eine sehr offene Bürostruktur, man konnte die zeitgemäße, moderne Bürostruktur also leicht umsetzen, im Oberkirchenrat ginge so etwas wie gesagt aus den genannten Gründen nicht.
Sie wollen ja mit dem Neubau auch neue Arbeitskräfte gewinnen und die bisherigen halten. Ist das denn so schwierig mit dem bestehenden Gebäude?
Stefan Werner: Wir haben mit Fluktuation zu kämpfen wie alle andern und stehen im Wettbewerb um gute neue Fachkräfte. Bei Neueinstellungen spielt es neben den Inhalten der Arbeit oder der Arbeit bei der Institution Kirche schon eine Rolle, ob die Arbeitsplätze, die wir anbieten, modern sind oder nicht mehr zeitgemäß wirken.
Information
Der Oberkirchenrat ist die Verwaltung der Landeskirche. Im derzeitigen Gebäude arbeiten rund 270 Menschen unterschiedlichster Berufsgruppen, unter anderem Theologen und Verwaltungsangestellte. Aufgeteilt ist die Verwaltung auf acht Dezernate.