Dass die Welt begrenzt sein muss, war über Jahrtausende eine Grundüberzeugung der Menschen. Von den Römern wurde die Westspitze von Cornwall in England als Weltende betrachtet. Das Kap Finisterre unweit von Santiago de Compostela galt im Mittelalter als das Ende der Welt.
Aufhören - Auch Gott hört auf
In sechs Tagen schafft Gott die Welt; am siebten Tag ruht er von seiner Arbeit. Der siebte Tag ist der Sabbat, der fortan den heilsamen Rhythmus des Lebens begründet. Wieder und wieder unterbricht der Ruhetag die menschliche Arbeit. Der Tag der Ruhe kommt nicht, wenn der Mensch eine Arbeit abgeschlossen hat. Der gesetzlich geschützte Sonntag ist eine Institution des Aufhörens.
Aber schon bald bereut Gott, was er geschaffen hat. Als er sieht, dass das „Dichten und Trachten der Menschen böse ist“, will er mit der Sintflut alles Leben auf Erden beenden. Aber ein ganz radikales Aufhören war das auch nicht, denn Gott konnte es lassen. Er machte weiter mit Noah und seiner Familie und seiner Schöpfung.
Aufhören - Christliche Hoffnung
Dass diese Welt vergehen wird, ist die große Hoffnung der Christenheit. Im letzten Buch der Bibel wird das Weltende als Drama entfaltet. Die Akte heißen: Der Untergang Babels, Tausendjähriges Reich, Endkampf mit Satan und schließlich das Weltgericht. Und dann kommt das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herab, so schön wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Gott wird dann bei den Seinen wohnen. Alle Tränen wird er abwischen. Der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Wie schon Joachim von Fiore und Michael Stifel zuvor versuchte Johann Albrecht Bengel das Weltende zu berechnen. Er kam auf das Jahr 1836, lag damit aber falsch.
Aufhören - Der richtige Zeitpunkt
Dem Prediger riet Martin Luther: „Tritt fest auf, mach‘s Maul auf, hör bald auf.“ Der Volksmund sagt, dass man aufhören solle, wenn es am schönsten ist. Wirklich überzeugend ist das nicht. Niemand verlässt die Oper nach der großartigen Arie im 1. Akt. Kaum einer springt beim Sex nach dem Orgasmus aus dem Bett. Kein Fußballer lässt sich nach 20 Minuten auswechseln, weil er gerade ein Traumtor geschossen hat. Wann es am schönsten war, weiß man immer erst im Rückblick. So wie der CSU-Politiker Michael Glos, der bei seinem Abschied erzählte: „Als ich in meinem Wahlkreis mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen aufgestellt worden bin, wusste ich: Es ist Zeit zum Aufhören.“
Die erfolgreiche Biathlonsportlerin Magdalena Neuner beendete schon mit 25 Jahren ihre Karriere. Sie gab an, dass sie Familie haben wolle, Kinder oder einen „gescheiten“ Beruf. Der Maler Gerhard Richter erklärte, dass er nun mit 88 Jahren mit dem Malen aufhören wolle: „Irgendwann ist eben Ende. Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt.“ Aber dies zu erkennen ist nicht einfach. Eine Professorin hatte in jungen Jahren ihren Mann gebeten, ihr ehrlich zu sagen, wann sie aufhören solle. Nun ist der Mann tot. „Wer wird mir jetzt sagen, dass ich aufhören soll?“ fragt sie nun.
Wer einen Pfeil ins Ziel bringen will, muss ihn loslassen. Foto: Rainer Sturm, pixelio
Aufhören - Entspannung und Friede
Viele Chöre leiden darunter, dass Sängerinnen und Sänger nicht selbst erkennen, wann ihre Stimme zu scheppern beginnt. Eine 78-jährige Sängerin im Sopran sagt: „Seit ich 20 Jahre alt bin, hat sich meine Singstimme überhaupt nicht verändert.“ Sich selbst realistisch einzuschätzen ist nicht einfach. Für Chorleiter ist der Umgang mit älteren Sängerinnen und Sängern deshalb manchmal auch heikel. Viele Sänger und Sängerinnen haben über Jahrzehnte treu und glanzvoll im Chor gesungen. Aber wenn ambitionierte Werke aufgeführt werden sollen, sind alternde Stimmen ein Problem. Eine feste Altersgrenze hilft nicht. Ohne offene und ehrliche Gespräche geht es nicht. An St. Michael in Schwäbisch Hall wurde 2015 ein „Chor am Vormittag“ gegründet. Dort singen nun Seniorinnen und auch junge Mütter entspannt mit viel Freude. Aufhören kann heilsam und wohltuend sein.
Aufhören - Stimme im Garten
Das zeigt das Leben des Kirchenvaters Augustin. Es geschah im Garten seines Hauses in Mailand. In Tränen aufgelöst lag Augustinus unter einem Feigenbaum. Da hörte er eine Stimme: „Nimm und lies, nimm und lies!“ Augustin greift nach dem Römerbrief und liest: „Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Neid; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt“ (13,13). Er muss nicht weiterlesen, denn bei dem Schluss dieser Worte kommt das Licht des Friedens über sein Herz. Die Schatten des Zweifels sind plötzlich verflogen. Augustin ändert daraufhin radikal sein Leben. Aus Augustinus, dem Lebemann, wurde Augustinus, der Kirchenvater.
Nicht immer ist es so leicht, alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Daran erinnert Mark Twains Satz: „Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.“ Mit dem Aufhören hatte er es irgendwie nicht so.