„Unsere Chorleiter trauen uns viel zu, sie bringen uns zu Höchstleistungen“, sagt Rosemarie Ackermann. Vor allem zeitgenössische Kompositionen wie etwa von Arvo Pärt, Bernhard Krol oder Jürgen Essl verlangen eine Änderung von Hörgewohnheiten. Als im Frühjahr alle Chorproben ausgefallen sind, habe ihr das Singen „schrecklich gefehlt“. Dann entwickelten Gabriele Degenhardt und ihr Kollege David Schmid ein Hygienekonzept mit Abstandhalten und Desinfektion und probten in kleinen Gruppen.
Nun sitzt Rosemarie Ackermann ein bisschen verloren im großen Gemeindesaal von St. Josef und übt gemeinsam mit anderen Frauen ein Stück des britischen Komponisten Alan Wilson. Das Werk verlangt den Sängerinnen einiges ab. Lebhaft, freundlich und geduldig übt Gabriele Degenhardt mit ihnen. David Schmid führt am Klavier.
Nach einer Pause (lüften, lüften, lüften!) übernimmt der studierte Schulmusiker mit Hauptfach Orgel die nächste Probe mit dem kleinen gemischten Chor. Diesmal sitzt Gabriele Degenhardt am Piano. Wer in einem ökumenischen Chor in Konzerten, aber eben auch in Gottesdiensten in der Matthäuskirche, der Kreuzkirche und in St. Josef singt, wird neben unterschiedlichen Liturgien immer auch eine kirchenmusikalische Bereicherung erleben. „Bachkantaten kannten wir vorher nicht“, sagt Katholikin Rosemarie Ackermann. „Und evangelischen Christen waren zum Beispiel Schubert-Messen unbekannt“, ergänzt Gabriele Degenhardt.
Den Blick über den kirchenmusikalischen Tellerrand hat auch Karen Oßmann gewagt. Anlässlich einer Konfirmation – ihr Sohn war dabei – hatte Gabriele Degenhardt einen Elternchor zusammengestellt. Eine gute Gelegenheit für Karen Oßmann, nach 30 Jahren Abstinenz wieder zu singen. „Ich wurde im ökumenischen Chor nett aufgenommen und es hat viel Spaß gemacht“, sagt die 58-Jährige. Als Corona die Chorproben stoppte, war sie „unendlich traurig“, als in kleinem Kreis wieder gesungen wurde, „so froh“. Der Ökumenische Chor Heslach entstand aus dem langjährigen Engagement der evangelischen und katholischen Gemeindechöre vor Ort und wurde vom weiten Geist vieler Aktiver befördert. Musik als Grundstein der Gemeindearbeit ist so ein fester Bestandteil des kirchlichen und kulturellen Lebens in Heslach geworden. Auch deshalb wurde 2006 der Verein zur Förderung der Kirchenmusik in dem Stuttgarter Stadtteil gegründet.
„In Heslach gibt es ein unglaublich gutes Miteinander, man kennt sich, hilft sich. So ist es auch mit der Kirchenmusik. Wir respektieren uns, akzeptieren uns und leben im Austausch“, sagt Gabriele Degenhardt. „Das bereichert uns alle.“ □