„Es ist ganz anders, als ich mir vorgestellt habe. Von manchen katholischen Ritualien wie Weihwasser oder Kreuzzeichen bin ich überfordert, auch die Marienanbetung kenne ich nicht. Aber es ist mir freigestellt, wie weit ich mich darauf einlassen will“, erzählt die 17-jährige Debora. Ihr Bild von Klosterschwestern hat sich vollkommen verändert: „Ich hab sie mir viel strenger und unpersönlicher vorgestellt. Aber das Verhältnis untereinander ist herzlich und entspannt.“ Hin und wieder gebe es sogar Alkohol, wie etwa Bier zum Raclette, Sekt an Silvester oder einen Schnaps beim Christbaumloben, sagt die junge Frau und lacht.
Die Schwestern teilen ihren Alltag und ihre Privaträume mit den Besucherinnen. Voraussetzung dafür ist laut Schwester Marlies die Bereitschaft, sich auf dieses Leben für kurze Zeit einzulassen. „Die meisten jungen Frauen sind auf der Suche und wir zeigen ihnen, was das Leben im Glauben ausmacht.“ Viele kommen mit konkreten und persönlichen Fragen und die Schwestern sind bereit, diese offen und ehrlich zu beantworten.
Maria, 34-jährige Psychologin und Theologin, wollte sich nach einem Stellenwechsel eine Auszeit nehmen. „Ich schätze solche Orte sehr, weil hier die Seele zur Ruhe kommt. Die Schwestern machen ihre Türen auf, nehmen einen mit hinein und lassen an ihrem Lebensrhythmus teilhaben. Das hat mir eine innere Ausgeglichenheit geschenkt“, sagt sie und erzählt von ihrer namenlosen Sehnsucht nach Erfüllung. Nach sechs Tagen fühlt sie, dass sie gestärkt in ihren eigenen Alltag zurückkehren kann.
Mittendrin in dieser besonderen Gemeinschaft leben, die von der Liebe Gottes gehalten wird – für die 29-jährige Naturwissenschaftlerin Kerstin aus Neu-Ulm eine wertvolle Erfahrung. Sie habe an diesem Ort Kraft und Liebe gespürt, die im normalen Alltag verloren gingen. „Tief in mir drin kann ich die Gegenwart von Gott zulassen. Das soll mir helfen, künftig in gewissen Alltagssituationen im Glauben und nach dem Vorbild Jesu gelassener zu reagieren.“ Bei den Schwestern habe sie gelernt, dass man auch Zweifel zulassen darf: „Durch Krisen wächst man im Glauben.“
Schwester Marlies Göhr gemeinsam mit Debora Reith in der Bibliothek. Foto: Maria Bloching
Die 25-jährige Masterstudentin Sabine hat nach einem schönen, aber stressigen Jahr die Möglichkeit ergriffen, aus der Hektik des Alltags auszubrechen. „Wenn alles so laut ist, überhört man oft wichtige Dinge“, meint sie. Ihre Entscheidung, diese Ruhe für einige Tage im Kloster zu suchen, habe bei Bekannten Mitleid erregt: „Sie meinten, ich hätte über Silvester nichts besseres vor und luden mich zu ihrer Party ein. Das Klösterliche und der Glaubensaspekt erschrecken viele Leute, weil sie sich nicht viel darunter vorstellen können. Hätte ich gesagt, ich nehme mir eine Auszeit und mache Yoga, wäre das einfach nur cool gewesen.“
Die Tage hier hat sie als normal und strukturiert erlebt, auch wenn der frühmorgendliche Start in den Tag mit dem Morgengebet für die Studentin ungewohnt war. „Ich genieße die Routine, die festen Zeiten für das gemeinsame Essen, Beten und Ruhen.“ Obwohl genau das zeitweise sehr anstrengend sein kann, wie sie einräumt. Die Zeit, so betont Maria, hat für sie auf jeden Fall eine andere Wertigkeit erhalten. „Eine Stunde, die ich sonst am Handy verdattele, nutze ich hier bewusst zum Lesen oder Ausruhen.“
Für die sechs jungen Frauen war Schwester Marlies die Ansprechperson. Foto: Maria Bloching
Alle sechs jungen Frauen können nach ihrer Woche im Kloster ein positives Resümee ziehen. Und die Schülerinnen Debora und Sabrina wissen nun zumindest zum Teil, welches Leben im Konvent in Tansania auf sie zukommt. Das oft altertümliche Bild der isolierten Nonnen hat sich bei allen verändert. Die gelebte menschliche Gemeinschaft, geprägt vom respektvollen Umgang miteinander und getragen durch den Glauben und das Gebet, hat Spuren hinterlassen und neue Wege aufgezeigt.