Selbst wenn man Fred Uhlmans grafische Arbeiten ganz ohne biografische Bezugspunkte betrachtet: Die schwarz-weiß gehaltenen Feder- und Pinselzeichnungen, die in ihrem fast mystischen Hell-Dunkel ein wenig an Rembrandt-Radierungen erinnern, haben es in sich. Da wimmelt es nur so von Kreuzen und Totenschädeln, von Stacheldraht und seltsamen Gestalten – von sicherer Hand mit feinen, lebendig wirkenden Linien umrissen. Von den Bäumen baumeln Erhängte. Bischöfe und andere Kirchenmänner behaupten dickbäuchig ihren Platz, wo fast alles Leben erloschen oder fortgeweht scheint. Einer drischt gar mit einer Peitsche auf den an einen Pfahl geketteten Schmerzensmann Jesus ein. Dazu die Notiz: „Wenn er wiederkaeme“. Kritik an der Institution Kirche, insbesondere an der spanischen, deren Machtdemonstration ihn während seines Aufenthaltes in Tossa de Mar an der Costa Brava empört haben muss, durchzieht den Zyklus wie ein roter Faden. Bei der besagten Marterung Jesu fehlt der Funken Hoffnung, den Uhlman in den meisten Zeichnungen aufscheinen lässt: Eine lichte Partie, in deren Mitte ein kleines Mädchen steht, oft mit Luftballon in der Hand.
„Die toten Feldherren“ mit dem Ballonmädchen 1940. Foto: The Estate of Fred Uhlman
Ob der britische Streetart-Künstler Banksy, dessen bei einer Auktion geschreddertes Bild „Love is in the Bin“ bis vor kurzem in der Staatsgalerie zu Gast war und ebenfalls ein Mädchen mit Luftballon darstellt, Uhlmans wiederkehrendes Motiv kennt? Das wird der anonym agierende Banksy wohl keinem verraten.
Sicher ist, dass Fred Uhlman in der Heimat seiner Frau Diana Croft, die er in Spanien kennen lernte und der er schließlich nach England folgte, weitaus bekannter ist als in Deutschland. So war er einer von 25 Künstlern und der einzige Exilant, der 1953 ausgewählt wurde, die Krönung von Queen Elizabeth II. künstlerisch festzuhalten.
Später machte er sich auch als Schriftsteller einen Namen. So wurde Fred Uhlmans in viele Sprachen übersetzte Novelle „Der wiedergefundene Freund“ zur Schullektüre über die Zustände im nationalsozialistischen Deutschland. 1971 erschien das Prosawerk unter dem englischen Originaltitel „Reunion“, sieben Jahre später dann in deutscher Übersetzung.
Zeichnungen für die Queen
Auf einigen seiner Zeichnungen mit Mädchen-Figur hat Fred Uhlman handschriftlich vermerkt „À mon enfant nouveau né“, eine Widmung an seine Tochter, geboren unmittelbar nach seiner Internierung und damit in Abwesenheit des Vaters.
Diese Hoffnungsgestalt verleiht den Zeichnungen eine eigenartige Poesie, fast Heiterkeit und feine Ironie. Vor allem das Blatt „Umfallmännchen“, das eine Art Priesterpuppe zeigt, die von dem Luftballon-Mädchen in Schieflage und zu Fall gebracht wird, verrät, dass der Künstler unbeirrt an eine bessere Zukunft glaubte.
Dass in dieser endlich seine 1950 verliehenen Gaben aus dem Keller der Staatsgalerie geholt werden und so seine Lebensgeschichte beleuchtet wird: Das freilich ist überfällig und doch nur zu begrüßen. □