Die Idee zur Pop-up-Church hatten die Pastoren, als sie auf dem sozialen Netzwerk Instagram im Internet unterwegs waren. Und weil sie mit den Verpächtern des Trachtenladens während eines Biergarten-Gottesdienstes ins Gespräch kamen und sich sympathisch waren. So dürfen sie nun ein paar Wochen lang die Räume kostenlos nutzen.
Das Schaufenster des Ladens stimmt auf Ostern ein: Da sind, unter anderem, auf alten Weinkisten verzierte Ostereier und zahlreiche gelbe Osterglocken zu sehen. Ein Hinweis darauf, was man drinnen machen kann. Nämlich: Gegen eine Spende von zwei Euro ein Holz-Osterei kaufen, anmalen und bekleben.
Die Pastorin Julia Müller sitzt mit ihrem Laptop an einer der vier Tischgruppen. Gerade ist niemand da. „Vor allem an den Samstagen kommen aber viele Leute. Am ersten Samstag wurden etwa hundert Eier gestaltet – ganz schön viel.“ Julia Müller weiß nicht, ob die, die kommen, religiös sind. „Wir fragen nicht danach. Wenn jemand mit uns über Kirche ins Gespräch kommen will – gerne. Aber wir wollen das niemand aufzwingen.“ Die Pop-up-Church soll kein Ort der Missionierung durch die Hintertür sein, durch die die Besucher bekehrt wieder raus gehen.
Julia Müller erzählt von einer älteren Frau, für die die Pop-up-Church mittlerweile schon der persönliche Hotspot ist. „Sie kommt fast jeden Tag und sagt, hier könne sie so gut entspannen. Manche Menschen sitzen hier eine Stunde, vertieft ins Ostereier-Gestalten. Die gehen ganz verändert wieder raus, weil sie sich ewig keine Zeit für sowas Kreatives genommen haben.“ Das freut die junge Pastorin.
Sein eigenes Ei kann der Besucher dann mitnehmen und verschenken. Oder da lassen. Dann wird es ausgestellt und an Ostern bekommen es Kinder und Jugendliche aus Ulmer Wohngruppen, die nicht bei ihren Familien leben. Inklusive Kino- und Schwimmbad-Gutscheinen, die durch die zwei Euro-Ei-Spende finanziert werden können. „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen Freude schenken. Dass die einfach was Cooles machen können. Darum geht’s doch an Ostern.“
Das Bastelmaterial und die Einrichtung sei komplett gespendet, unter anderem von Firmen. So konnten die drei Pastoren eine gemütliche und anregende Atmosphäre schaffen. Sie haben ein Samtsofa aufgestellt, eine Wimpelkette aufgehängt und Dschungeltapeten eingerahmt. Es gibt einen Tresen mit Gläsern voller Süßigkeiten. Außerdem haben sie Stellwände aus Multiplex-Platten gebaut. An manche dieser Holzwände sind Metallbretter geschraubt: Auf ihnen steht schon in Reih und Glied eine Mannschaft an Eiermännchen und -weibchen, darunter viele schräge Gestalten: Frauen mit Kussmund, Männer mit rot-weißen Haaren unter dem Sepplhut oder ein breit grinsender Vollbart-Typ. Charaktere, so verschieden wie die Ulmer und Ulmerinnen selbst. Jedes Ei ist in einem Bier-Kronkorken platziert, so kippt es nicht. Raffiniert.
Auch der Ulmer Münster-Dekan Ernst-Wilhelm Gohl ist von der Citychurch in der direkten Nachbarschaft angetan. „Wir sind in gutem Kontakt. Die Citychurch ist inspiriert von der Bewegung ,fresh expressions of church‘. Diese sogenannte ,fresh x’ sind auch in der Landeskirche Thema. Deshalb interessiert auch uns, welche Erfahrungen die Citychurch mit ihrer Pop-up-Church macht.“ Er werde natürlich auch noch ein Ei gestalten.
An einzelnen Tagen geben die Citychurch-Pastoren auch Workshops. Zum Thema „Stress, lass nach“ etwa, wo es darum geht, wie man entspannter durch den Alltag gehen kann. Im Workshop „Einzigartich“ stellen sich die Teilnehmer die Frage, wer sie eigentlich sind und sein wollen. Nach Ostern werden dann im Laden wieder Dirndl und Lederhosen anprobiert.
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