In zahlreichen Liedern unserer Gesangbücher spiegelt sich dies ebenso wie in Kreuzesdarstellungen früherer Jahrhunderte, bevor diese im 20. Jahrhundert eher abstrakt wurden. Doch Christen sind keine Masochisten. Damit die Meditation der Passion Jesu zu ihrem Ziel führt, braucht es das Wissen um den Fortgang der Geschichte – auch dies zeigt sich in den Liedern und Bildern. Denn ansonsten bliebe sie im wahrsten Sinne des Wortes sinnlos und trostlos.
Auferstehung Jesu - Passion, Leiden. Foto: congerdesgin-pixaby
Die Auferstehung - Der Grund unsererer Hoffnung
Trostlosigkeit befiel auch die Freunde Jesu. Die Evangelien schildern dies eindrücklich: Von Schrecken und Angst lesen wir, vom Rückzug hinter verschlossene Türen und der Resignation angesichts ent-täuschter Erwartungen: „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.“ (Lukas 24,21) Doch dann, „am dritten Tag“: Ostern! Der Auferstandene selbst begegnet den Seinen, die ihn nicht erken-nen, die damit nicht gerechnet und das alles noch nicht verdaut haben. Er öffnet ihnen die Augen: „Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lukas 24,26)
Die Auferstehung verändert alles, sie rückt auch das vorher Geschehene in ein neues Licht. Nicht dass dadurch ein „eigentlich sinnloses“ Ereignis nachträglich „mit Sinn gefüllt“ würde, der Sinn – „das Geheimnis Gottes“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 93) – wird vielmehr rückblickend erst sichtbar: Im Kreuz ist Heil! In den Briefen des Neuen Testaments finden wir zahlreiche Versuche, dies zu verstehen und in Worte zu fassen.
Die Herausforderung ist also, Karfreitag in beiden Richtungen in den Blick zu nehmen – vorwärts und rückwärts. Denn hier kommt beides zusammen: tiefste Trostlosigkeit und zugleich höchster Trost! Deshalb ist Karfreitag im Licht von Ostern der Grund unserer Hoffnung.
◼ Der promovierte Theologe Jonathan Reinert arbeitet am Institut für Spätmittelalter und Reformation an der Universität Tübingen.