Zehn Religionsgemeinschaften von den christlichen Konfessionen über die israelitische Gemeinde, die Bahai-Gemeinde bis zu den islamischen Gemeinden und die Stadt Reutlingen sind darin vertreten. Der Rat ist mehr als nur ein unverbindlicher Ort zum Austausch, eine Art Chefetage über den Religionen ist er jedoch ebensowenig – sie regeln weiterhin autonom ihre Glaubensfragen.
Rat der Religionen - Sich einander öffnen und einordnen
Frieder Leube, einer der Initiatoren des Rates, formulierte durchaus ambitionierte Ziele bei der Gründungsveranstaltung. So soll der Rat Stellungnahmen abgeben, wenn es zum Beispiel zu Übergriffen auf eine Religion kommt. Also auch füreinander einstehen, wie das Maria Tusak von der Israelitischen Religionsgemeinschaft hofft: „Ich wünsche mir, dass man sich auf der Straße freundlich begegnet. Dass sich die jüdische Gemeinde offen zeigen kann und nicht Angst haben muss oder nur unter Polizeischutz leben kann.“ Der Rat der Religionen, sagte Maria Tusak, „kann eine Möglichkeit bieten, Vorurteile abzubauen – auf einer Ebene, die wir alleine als Religionsgemeinschaft niemals erreichen würde“.
Der Rat der Religionen: Herausforderung mit Friedenspotential
Der Rat verlangt den Religionsgemeinschaften manches ab, gerade was den gegenseitigen Respekt angeht. Die katholische Kirche muss sich einordnen ohne die Tradition einer gefühlten Überlegenheit, und auch die Neuapostolische Kirche muss sich umorientieren, wie ihr Vertreter Eberhard Koch sagte: „Unsere Kirche hat sich lange abgeschottet. Ich freue mich auf diese Öffnung.“
Für den Islam ist die Anerkennung der Religionsfreiheit des Grundgesetzes verpflichtend, für alle Religionsgemeinschaften die Abwehr homophober Tendenzen. All dies mussten die Religionsvertreter unterschreiben – zur Gründungsurkunde gehört eine Satzung, die etwa festschreibt: „Religion kann missbraucht werden, zum Beispiel zum Predigen von Hass und Gewalt. Deshalb eint uns die Überzeugung: Gewalt darf niemals im Namen der Religion gerechtfertigt werden.“ Und alle Ratsmitglieder verpflichten sich: „Keine Diskriminierung aufgrund der Religion, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe, der Kultur, der Herkunft und des sozialen Standes.“
„Der Rat der Religionen ist kein Kinderspiel“, sagte Frieder Leube. Aber eine Institution, der er viel zutraut: „Ohne das Vertrauen der Religionsgemeinschaften wäre das nicht möglich gewesen.“ Und eine Einrichtung, der er eine wichtige Rolle in gesellschaftlichen Konflikten zuschreibt: „Wer weiß, wozu der Rat noch gebraucht wird in den nächsten Jahren, wenn die Religionen sich auf ihre Ressourcen der Friedensfähigkeit besinnen.“
Auf das friedensstiftende Vermögen von Religionen setzt auch Markus Weingärtner von der Stiftung Weltethos, die die Gründung des Rates mit unterstützt hat. In seinem Vortrag wandte er sich gegen das Zerrbild von Religion als Konfliktursache. Das sei schädlich: „Wenn Religion ferngehalten wird, wird die religiöse Friedensstiftung ferngehalten.“ Er nannte viele Beispiele für das Friedenspotential der Religion: „In Ruanda etwa hat sich die muslimische Gemeinde der Gewalt verweigert und Tausende Flüchtlinge geschützt. Und auch die friedliche Wende in der DDR wäre ohne das Wirken der evangelischen Kirche nicht zustande gekommen.“
Man müsse zur Kenntnis nehmen: „Religiöse Akteure haben Kompetenzen und Erfolge in Deeskalation von Konflikten – und dieses Potential ist noch nicht ausgeschöpft, da stehen wir erst am Anfang.“ Zum Beispiel durch den Rat der Religionen. Bleibt die Hoffnung, die Bernhard Bosold, katholischer Mitinitiator, ausdrückte: „Möge Segen auf diesem Projekt liegen.“
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