Das hieß vor allem: Sand- und Zementsäcke zu schleppen – auch für die Frauen. „Wir sind schließlich zum Arbeiten gekommen“, sagt die 28-jährige Bauingenieurin und lacht. Anschließend wurde der Betonboden gefliest, so ist es traditionell üblich. Da Fliesen aber dann doch Mangelwaren waren, wurde im Mischungsverhältnis 1:1 (Fliesen und Fugenmaterial) gefliest. Trotzdem: Ein schönes Mosaik war entstanden. Trotz heftig mangelnden Sprachverständnisses war das gemeinsame Arbeiten super, wie beide Frauen berichten. „Der Bauleiter war Äthiopier, Englisch kaum möglich, und wir sprechen ja auch kein Tigrinya, wie in der Region üblich“, sagt Annika Haas.
Annika Haas (links) und Sarah Queck (rechts) haben in Äthiopien an einem Jugendzentrum mitgebaut.Foto: Brigitte Jähnigen, privat
Was bald auffiel, war die unterschiedliche Arbeitsmentalität. „Deutsche wollen immer so effizient sein“, sagt sie. Stundenlang werde nach der vermeintlich besten Lösung gesucht. „Die Äthiopier fangen erstmal an, und wenn sie merken, dass was nicht funktioniert, machen sie es ein zweites Mal“, sagt auch Sarah Queck. Außer dem Hallenboden wurde noch das kleine Büro gefliest und im Hof wurden Steinbänke aufgestellt. Die braucht auch der Nachtwächter, der das Jugendzentrum bewacht.
Das historisch als „Wiege der Menschheit“ betrachtete Land am Horn von Afrika hat viele Bodenschätze, jedoch eine arme Bevölkerung. Die Analphabetenrate beträgt fast 50 Prozent. Der Vielvölkerstaat mit 80 verschiedenen Sprachen hat eine junge Bevölkerung. 45 Prozent sind unter 15 Jahre alt, nur 3 Prozent älter als 65.
Äthiopien - faszinierende Gottesdienste
Beeindruckend war für die Gäste aus Baden-Württemberg – die ihren Aufenthalt selbst finanziert haben – die gelebte Religiosität der Äthiopier. „Am 6. und 7. Januar wird in der äthiopisch-orthodoxen Kirche Weihnachten gefeiert, wir erlebten Gottesdienste mit Rasseln und Trommeln und so vielen Menschen, wie wir das in Deutschland nicht kennen“, erzählt Sarah Queck. Sie sei, sagt sie, „überwältigt gewesen“. Die statistischen Angaben über die Zahlen der unterschiedlichen Religionen differieren. Auszugehen aber ist von mehr als 40 Prozent äthiopisch-orthodoxer Christen, etwa genauso vielen sunnitischen Muslimen, über 15 Prozent Protestanten und nur noch wenigen Juden.
Seit 21 Jahren pflegt der EJW-Weltdienst eine enge Partnerschaft zum äthiopischen YMCA. Mit knapp 17 000 Euro Erlös aus der Orangenverkaufs-Aktion der Jungscharen im Kirchenbezirk Esslingen wurde nun auch das Jugendzentrum in Mekele finanziell unterstützt. Valerian Grupp, Landesreferent des EJW und Leiter des Workcamps, überreichte einen symbolischen Scheck.
Äthiopien - Emotionaler Abschied vom YMCA
„Und dann haben uns die Äthiopier überrascht mit ihrer unglaublichen Gastfreundschaft“, berichtet An- nika Haas. Die jungen Deutschen wurden nicht nur zur traditionellen Kaffee-Zeremonie der Frauen eingeladen, sondern auch zu Musik, Tanz und Injera-Essen. Injera ist ein weiches, gesäuertes Fladenbrot aus Teffmehl, in das Zutaten wie Fleisch und Gemüse gewickelt und mit der Hand gegessen werden. Teff gehört zu den heimischen Getreidesorten. „Auch ohne Sprache war der Abschied so emotional, durch das gemeinsame Arbeiten wächst man intensiv zusammen“, sagen die beiden jungen Frauen. Äthiopien wird sie wohl so schnell nicht loslassen.