Britta Reinhart ist Schulsozialarbeiterin bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva). Sie arbeitet an der Birken-Realschule in Heumaden, an der auch Hauptschüler unterrichtet werden. Sie kennt diese Nöte der Mittelstufen-Schüler gut. „Viele sagen, dass der Online-Unterricht für sie nicht funktioniert. Dazu gehört viel Disziplin und Selbstorganisation, die schwache Schüler nicht haben.
Die Schule ist mehr als ein Lernort
Genausowenig wie die technische Ausstattung.“ Einen eigenen Laptop haben viele nicht. Britta Reinhart unterstützt so gut sie kann, lädt die Teenager in die Räume der mobilen Jugendsozialarbeit ein und hilft ihnen auch bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen. Mit mäßigem Erfolg: „Von den 19 Hauptschülern, die jetzt ihren Abschluss machen, hat niemand eine Lehrstelle.“ Die Berufsberatung, die in der Sekundarstufe eine so wichtige Rolle spielt, fand während der Zeit der Schulschließungm wenn überhaupt, nur in abgespeckter Form statt.
Olivia, die zu Anna in die Klasse geht, macht im Unterricht immer richtig gut mit. Seit es nur noch online Unterricht gibt, ist das anders. Da taucht sie oft ab, ist viel zu müde um zuzuhören. Olivia ist die Struktur abhanden gekommen, oft schläft sie erst ein, wenn es schon wieder hell wird. Und sie hat Ängste entwickelt, die sie vor Corona nicht hatte. Manchmal kann sie sich zu gar nichts aufraffen: Weder zu den Aufgaben, noch dazu, vor der Tür zu gehen. Menschen machen ihr neuerdings Angst. Olivia ist kein Einzelfall: Psychische Störungen unter Jugendlichen haben in der Pandemie extrem zugenommen. Nach Angaben des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung sind es 400 000 junge Menschen mehr, die im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie unter depressiven Stimmungen leiden. „Die Größenordnung der seelischen Belastung der Kinder und Jugendlichen wird völlig unterschätzt“, sagt Martin Bujard, der Präsident der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf).
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Es ist ja nicht die Schule als Lernort, sondern auch als Lebensraum, die ausfällt. Treffen mit Gleichaltrigen, die für Heranwachsende so wichtig sind, sind kaum noch möglich. „In einem Alter, in dem Jugendliche sich schrittweise aus ihrem Elternhaus lösen und soziales Lernen vorrrangig mit Gleichaltrigen stattfindet, haben viele derzeit nur Eltern und Geschwister als Ansprechpartner“, stellt Bujard fest.
Anna war kürzlich mal wieder in der Schule. Für eine Lateinarbeit. Auf die hat sie sich nicht gefreut, auf das Wiedersehen mit ihren Freundinnen schon. „Wir mussten sofort danach aber wieder alle raus aus der Schule. Sobald wir zusammengestanden sind, kam gleich ein Lehrer. Dabei waren wir doch alle getestet.“ Das fand selbst die langmütige Anna absolut daneben.