Im Hause Holz sind sie dagegen ziemlich vergnügt. Drei Generationen wohnen unter einem Dach: Vater Siegfried (65), Mutter Ella (65), Andreas Holz (41) und seine Frau Tanja (40) sowie die vier Kinder Maike (13), Jana (11), Birgit (9) und Falko (7).
Leben auf dem Land - Alle leben von der Landwirtschaft.
Vor zwei Jahren hat Tanja Holz ihre Nebenbeschäftigung als Mesnerin der evangelischen Kirche im Nachbarort Bartholomä aufgegeben und betreut seither den Hühnerstall. Es ist ein ziemlich großer Hühnerstall, mit 18 000 Masthähnchen, die alle 40 Tage ausgewechselt werden.
Der Bauernhof der Familie Holz ist kein Schau-betrieb mit ein paar gackernden Legehennen, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, das die Familie ernähren soll.
Das gleiche gilt für den Schweinestall: Etwa 1500 Mastschweine wer-den dort gleichzeitig gehalten, 4500 sind es jährlich. „Mit den Schweinen und den Hühnern läuft es gerade
gut“, sagt Andreas Holz, er hat nichts zu klagen, kommt soweit ganz gut über die Runden. Klagen ist sowieso nicht sein Ding. Auch wenn es dazu Grund genug gäbe. Der schlechte Ruf der konventionellen Landwirt-schaft, die fehlende Unterstützung von der politischen Seite. „Die Leute haben den Bezug verloren“, sagt Holz, „sie wissen überhaupt nicht, was es bedeutet, heute einen Bauernhof zu führen.“
Leben auf dem Land - Der Papa ist immer zu Hause
Er tut es trotzdem gern, muss sich in seinem 37-Einwohner-Ort Irmannsweiler auch nicht jeden Tag rechtfertigen. Die meisten anderen sind sowieso Landwirte, der Weiler so abgelegen, dass kaum Durchgangsverkehr herrscht. „Hier kriegt man viele Aufgeregtheiten nicht mit“, sagt Tanja Holz, die die Ruhe ihrer Wahlheimat auf der Ostalb schätzen gelernt hat.
Ihre vier Kinder wachsen hier mit viel Platz auf. Der Hof ist groß, hat 116 Hektar Ackerfläche und 18 Hektar Waldbesitz. Traktoren mit großen Rädern stehen in der Maschinenhalle, ein mit Korn gefüllter Anhänger, die Kinder stechen mit der Gabel ins frische Heu hinein, das von den eigenen Wiesen kommt.
Auf den Feldern werden Weizen und Gerste angebaut, Dinkel und Raps. Dinkel und Raps gehen in den Verkauf, der Rest wird auf dem eigenen Hof verfüttert. Das Heu ist für die Pferde und Ponys, Tomaten und Salate sind für die heimische Küche bestimmt.
Für Bauer Andreas Holz ist die Ernte noch immer etwas Besonderes, auch wenn er im Grunde von der Hähnchen- und Schweinemast lebt. „Ackerbau ist Erdung“, sagt er, „der Landwirt definiert sich über seine Fläche.“ Draußen auf dem Feld ist er der Schöpfung ganz nahe, spürt den Jahreslauf am eigenen Leibe, die Launen der Natur, die ihm die Ernte verhageln können. „Der August hat Nerven gekostet“, sagt der Landwirt. Aber es ist alles so weit gut gegangen.
Der Schöpfung ganz nahe - Leben auf dem Land
Erntedank: Das Wort hat für ihn noch eine ganz unmittelbare Bedeutung. Aber sie nimmt ab, auch weil sich die übersatte Wohlstandsgesellschaft immer weniger darum kümmert. „Jedes Jahr wurden die Erntegaben weniger“, erinnert sich Tanja Holz an ihre Zeit als Mesnerin. Beide haben sie den Eindruck, dass auch bei vielen Pfarrern der Bezug allmählich schwindet: „Man feiert Erntedank, weil es halt gerade auf dem Kalender steht.“
Das ist schade, denn die Kirche gehört zum Leben auf dem Lande noch ganz selbstverständlich dazu. Zwölf Jahre lang war Andreas Holz evangelischer Kirchengemeinderat, alle vier Kinder sind in die Kinderkirche gegangen. „Wir haben noch kein Krippenspiel versäumt“, sagt Tanja Holz, „auch weil es uns wichtig ist, dass die Kinder noch etwas anderes erleben als den Bauernhof.“
© Alle Fotos: Werner Kuhnle
Der ist für die Kleinen natürlich eine Idylle, eine riesige Spielwiese, auf der sie sich austoben können. Es gibt Meerschweinchen, zwei Ponys, ein Pferd, einen Hund, Hasen und Katzen. Die Kinder umsorgen sie, tollen mit ihnen herum, lieben es, ihre Vierbeiner zu striegeln und zu füttern.
Ob sie sich vorstellen können, einmal den Hof zu übernehmen, selbst Bauer oder Bäuerin zu sein? Die drei Mädchen verneinen das eher: Maike würde gerne Pferdewirtin werden, Birgit Kindergärtnerin, Jana Grundschullehrerin. Nur der siebenjährige Falko sagt sofort „Ja“, wenn man ihn auf den Bauernhof anspricht: „Der Jungbauer“ lautet deshalb schon mal sein Spitzname, doch bis dahin wird noch mancher Erntesommer und manch harter Winter ins Land gehen.
Leben auf dem Land hat familienfreundliche Seiten
Im Moment genießen Andreas und Tanja Holz erst mal die familienfreundlichen Seiten des Landlebens. Der Papa ist tatsächlich zu Hause, sieht seine Kinder aufwachsen und kann sie auch tagsüber mal mit raus aufs Feld nehmen. „Ich finde es gut, dass mein Mann da ist“, sagt Tanja Holz. Sie hatte einen Vater, den sie als Kind berufsbedingt nur selten zu Gesicht bekam.
Es ist ein Glücksfall für die Familie, dass auch die Großeltern mitarbeiten. Ella und Siegfried Holz sind mit ihren 65 Lebensjahren noch beide sehr aktiv auf dem Bauernhof. Das erlaubt es den Jungen, wenigstens einmal im Jahr auch miteinander in Urlaub zu fahren. „Italien, Sonne, Meer, das muss dann schon sein“, sagt Tanja Holz. Derweil halten die Schwiegereltern den Betrieb am Laufen.
„Ich habe es nie bereut, dass ich den Hof übernommen habe“, sagt ihr Mann Andreas. Schon als kleiner Junge ging er mit dem Großvater gerne aufs Feld hinaus, fuhr mit Begeisterung Schlepper und absolvierte nach der Realschule eine Ausbildung als Landmaschinenmechaniker. Praktische Fähigkeiten, die ihm heute zugute kommen, denn auf dem Hof gibt es immer etwas zu reparieren.
Später wurde er noch Landwirtschaftsmeister. Derweil er die Fachschule im hohenlohischen Kupferzell absolvierte, ließ sich seine Ehefrau zur Hauswirtschafterin beim Evangelischen Bauernwerk im nahen Hohebuch bei Waldenburg ausbilden.
Familie Holz aus Irmannsweiler
© Alle Fotos: Werner Kuhnle
Ein Bauernhof lebt davon, dass beide Ehepartner es wirklich wollen. Dass die Familie mitzieht, dass das abgeschiedene Leben auf dem Land nicht nur als Last empfunden wird. Was die Kinder letztlich einmal werden, „wir werden sehen“, sagen Andreas und Tanja Holz. Sie beide durften frei entscheiden. „Mich hat niemand gezwungen“, sagt Andreas Holz, und so soll das auch bei seinen Kindern sein. Vielleicht wird aus dem „Jungbauer“ Falko irgendwann tatsächlich ein richtiger Landwirt. Sein Übungsfeld liegt ja direkt vor der Haustür.