„Es geht in drei Minuten los“, ruft ein Techniker aus der Ecke, in der die Regie aufgebaut ist. „Zwei Minuten!“ Um 19.45 Uhr eröffnet Landesbischof Frank Otfried July das Wahlstudio und spricht in die Kamera. „Es ist wunderbar, wie viele Menschen sich engagieren“, sagt er mit Blick auf die Kandidatinnen und Kandidaten und auf die vielen tausend Helfer, die Wahlbriefe verschickt haben, in den Wahllokalen saßen und nun auszählen. Viele müssen mit anpacken, damit das demokratische Fundament steht. „Die Menschen stellen Kraft, Ideen und Zeit zur Verfügung – dafür danke ich herzlich“, schließt July.
Für Wahlleiter Christian Schuler wird es ein langer Abend.
© Foto: Julian Rettig
Dann geht das angeregte Plaudern an den mit Kerzen und Tannengrün geschmückten Tischen weiter. Unterdessen sitzen Wahlleiter Christian Schuler und sein Team im ersten Stock und tragen die Daten aus den Wahlbezirken zusammen. Hin und wieder kommt Schuler herunter, um die Fragen von Oliver Hoesch, dem Sprecher der Landeskirche, zu beantworten. „Was ist das Besondere heute Abend?“ Schuler beobachtet einen Generationenwechsel. Viele ältere Synodale und Kirchengemeinderäte stellen sich nicht mehr zur Wahl, jüngere Leute rücken nach. Und so ist es folgerichtig, dass die erste Live-Schaltung nach Heilbronn-Sontheim zu Kirchengemeinderätin Hannah Drautz geht. Die Mittzwanzigerin möchte die Kirche jugendgerechter gestalten und ihr Gemeindehaus technisch auf die Höhe der Zeit bringen. „Wir haben immer noch kein WLAN“, sagt sie. Und dann ist da noch der Pfarrplan 2024, über den sie sich in Sontheim Gedanken machen.
Die Besucher warten auf Ergebnisse
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Ein Stock weiter oben, im Wahlbüro, ist die Übertragung aus Heilbronn nur noch leise zu hören. Hier geht es um ganz andere Fragen. Anruf aus einem Wahllokal: Kann ein Stimmzettel, der im falschen Umschlag war, gezählt werden? Christian Schuler, der landeskirchliche Wahlleiter und sein Team geben geduldig Auskunft. Wohin mit den Wahlergebnissen? „Das müssen Sie dem Vertrauensausschuss melden, der die Wahlergebnisse für den Bezirk, zusammenrechnet. Ich gebe Ihnen die Telefonnummer“, sagt Schuler und diktiert. Wie hoch die Wahlbeteiligung in der Gemeinde war? Oh weh, nur 11,8 Prozent. Zu wenig, viel zu wenig, meint Schuler, nachdem das Telefonat beendet ist. Seit morgens um acht Uhr klingeln im Wahlbüro die Telefone. Mal mehr, mal weniger häufig. Die Mitarbeiter der Wahlbüros in den Gemeinden haben noch viele organisatorische Fragen zu klären, vor allem zur Briefwahl. Zwischenzeitlich war es ruhiger. Aber jetzt, nach Schließung der Wahllokale, gibt es Ergebnisse zu melden.
Tobias Glawion (rechts) interviewt Inge Schneider und Johannes Eißler.
© Foto: Julian Rettig
Doch zurück zur Wahlparty. „Wie war die zurückliegende Synode?“ Das möchte Tobias Glawion, Chefredakteur des Evangelischen Gemeindeblatts, von Inge Schneider und Johannes Eißler wissen. Die scheidende Präsidentin der 15. Synode und einer ihrer Stellvertreter haben auf dem blauen Sofa Platz genommen. Inge Schneider erinnert sich an die Höhepunkte: den Kirchentag 2015 in Stuttgart, das Reformationsjubiläum vor zwei Jahren. Und die schwierigste Phase? Die Diskussionen und Verhandlungen über die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Schneider wünscht ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin, „dass sie die Synode geistlich leiten, vom Evangelium her, von Gott“.
Kirchwahl - live im Wahlstudio
Die ersten Ergebnisse lassen auf sich warten, was die Gäste nicht weiter stört. Jazzmusik der Band „Schmid & Schneider“ begleitet ihre Gespräche. Im Theophil-Wurm-Raum, einem Besprechungsraum im ersten Stock, sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Pressestelle und Medienhaus versammelt, jeder an einem Laptop. Sobald die Gewählten für einen Wahlbezirk feststehen, aktualisieren sie die Seiten der evangelischen Kirche im Internet. Kein leichtes Unterfangen. Der Live-Ticker lädt nicht, die Live-Übertragung läuft nicht stabil, veränderte Seiten lassen sich nicht speichern. Gerade ist eine schlechte Zeit für Fragen. Die Technik arbeitet fieberhaft.
Erika Schlatter-Ernst vom Gesprächskreis „Offene Kirche“ und Tobias Wörner von „Kirche für morgen“ nehmen auf dem blauen Sofa Platz und blicken zurück auf den Wahlkampf. Die Resonanz auf die Podiumsgespräche in den Gemeinden war bescheiden, „die Synode ist weit weg von den Menschen“, folgert Schlatter-Ernst. Wörner ergänzt: „Wir brauchen frische Ideen, um wieder eine Volkskirche zu werden.“
Um 22.02 Uhr kommt das erste Ergebnis der Kirchenwahl
Um 22.02 Uhr verstummen die Gespräche im Wahlstudio, das erste Wahlergebnis liegt vor. Es kommt aus Ulm-Blaubeuren und löst vereinzelt Applaus im Saal aus.
Dann heißt es wieder Warten. Eine Kirchenwahl ist eben doch etwas anderes als eine Landtags- oder Bundeswahl. Hier gibt es keine Prognosen, erst die Ergebnisse. Die Gemeinden zählen vor Ort die Stimmzettel aus, melden die Ergebnisse an den Vertrauensausschuss, der die Stimmen dann auf Wahlkreisebene zum Gesamtergebnis dieses Wahlkreises zusammen führt. „Aber es kann eine Weile dauern, bis das Ergebnis in den Gemeinden feststeht. Manchmal muss ein zweites oder drittes Mal ausgezählt werden“, erklärt Wahlleiter Christian Schuler. Manchmal würden Kirchengemeinden auch vergessen, dass sie ihre Ergebnisse an den Vertrauensausschuss melden müssen. So wie gerade. „Die sind einfach heim gegangen und nicht mehr zu erreichen“, meldet ein Vertrauensausschuss. Ganz vergessen wurde das Ergebnis allerdings nicht. Die Gemeinde hatte es in ein Onlineportal der Landeskirche eingetragen, auf das Schuler und seine Kollegen Zugriff haben. Fall gelöst.
Mittlerweile ist es 22.25 Uhr. Außer den Wahlergebnissen von Ulm und Blaubeuren hängt noch keines an der Tafel. Da brandet erneut Jubel am Stehtisch, an dem sich die „Zitronen“ versammelt haben: wieder einen Kandidaten in die Synode gebracht! Das Wahlstudio leert sich langsam, doch im ersten Stock geht die Arbeit weiter. Um 1.15 Uhr liegt das letzte Ergebnis vor – Wahlkreis 1, der Kirchenkreis Stuttgart, ist ebenfalls durch.