Auch Katharina Schmutz kommt oft und gerne ins „Essenziale“. Die Diakonin hatte die Idee, das Restaurant als ersten der besonderen Orte für „Stadtkante“ zu wählen. Nicolai Opifanti brachte den passenden Gast für ein „Wine-Tasting“, eine Weinprobe, mit: Lukas Gansky, Theologiestudent kurz vor dem Examen – und ausgebildeter Weinsommelier.
Lukas Gansky erklärt den nächsten Wein - Weintasting in der Essenziale Stuttgart. Foto: Julian Rettig
Restaurant Essenziale - Veranstaltungsort der Stadtkante
Das zog. Für das Wine-Tasting im Essenziale am 10. Januar waren die 28 Plätze auf der Anmeldeliste – mehr gab der Raum nicht her – bereits vor Weihnachten vergeben. „Wir hatten fast noch einmal so viele Leute auf der Warteliste“, sagt Katharina. Und beim Blick in den Raum sehen sie und Nicolai keineswegs nur „die üblichen Verdächtigen“ – er kenne „etwa zehn Prozent“, sagt Nicolai.
Schnell verteilen sich die Besucher im hellen Raum des „Essenziale“, ein paar haben sich bereits die Sitzplätze gesichert, andere gruppieren sich um die Stehtische. Gut gelaunt begrüßen Katharina und Nicolai die Gäste. Lukas Gansky erklärt anschließend das Vorgehen.
Sieben Weine hat er mitgebracht, er füllt die Gläser jeweils mit kleinen Probierschlücken des ersten Weins. Friedemann und Jörg-Michael Götz verteilen schon einmal Wasserkaraffen an den Tischen.
Lukas Gansky gibt immer kurz Informationen zu Herkunft und Aroma der Weine – vom cremigen Silvaner aus Uhlbach bis zum Syrah aus Fellbach, der ein wenig nach dunkler Schokolade schmecken soll. Dazwischen unterhalten sich die Besucher an den Tischen. Zwei sich bisher Unbekannte entdecken, dass sie beide aus dem gleichen Ort (Jettenburg) kommen, andere vergleichen die Ergebnisse ihrer Aromensuche. Immer wieder greifen sie zu Röstbroten, Risottobällchen und Gemüsechips.
Die von Lukas Gansky ausgesuchten Weine und die Röstbrote nach „Essenziale“-Art ‒ beides sehr beliebt bei den Teilnehmern der „Stadtkante“. Foto: Julian Rettig
Zwischen Riesling und Rosé (dritter und vierter Wein) erfahren die Besucher dann ein bisschen mehr über Lukas Gansky. Auf Nicolais Frage, wie er zum Wein gekommen ist, erzählt Lukas von seinem Opa. Der war Winzer und nahm ihn als Kind immer wieder mit in den Weinberg. Der letzte Anstoß, neben dem Theologie-Studium eine Ausbildung zum Weinsommelier zu machen, kam dann aus einer anderen Ecke: „In Tübingen habe ich festgestellt, dass die Theologen nur schlechte Weine trinken“, sagt Lukas grinsend. Dabei passten Wein und Theologie grundsätzlich gut zusammen: Bei einem Wein sitze man in der Regel nicht alleine, sonderen in geselliger Runde und „tauscht sich über Gott und die Welt aus“, sagt Lukas. Außerdem findet er: „Gott und Genuss sind eng miteinander verbunden. Gott hat uns das Leben geschenkt, das wir genießen können.“ Übrigens – die Information gibt Nicolai nebenbei – hat Lukas Gansky auch noch ein Bachelor-Studium der Vorderasiatischen Archäologie absolviert. Thema der Abschlussarbeit: „Weinpressen aus der Bronze- und Eisenzeit in Palästina“. Offensichtlich passt alles zusammen.
Stadtkante - ein Zugang zur Stadt
Michael Piotrowsky und Larissa Weil haben im Internet über das soziale Netzwerk Instagram von „Stadtkante“ erfahren. Sie folgen dort der Seite von Nicolai Opifanti. In ihren Heimatgemeinden in Mainhardt und Kirchheim seien sie kirchlich engagiert gewesen, erzählen die beiden. „In Stuttgart fehlt uns die Zeit und der Anschluss“, sagt Michael. So wie bei vielen, die vom Land nach Stuttgart ziehen. Auf einmal gibt es viel mehr kulturelle Angebote, viel mehr gesellschaftliche Ereignisse, viel mehr Optionen, seinen Abend zu verbringen – und gleichzeitig, jobbedingt, oft deutlich weniger Zeit dafür. Die Konkurrenz für kirchliche Veranstaltungen sei groß, sagt Jugendkultur Referent Rene Böckle. Die Hemmschwelle oft hoch.
Das ist die Lücke, die „Stadtkante“ mit Leben füllen möchte. Einen anderen Zugang zur Stadt bieten. Bei Michael und Larissa hat das bereits funktioniert. Das „Essenziale“ ist für sie eine Neuentdeckung. „Man lebt hier in Stuttgart, läuft immer wieder durch die Straßen und weiß trotzdem nicht, was hier so ist“, erklärt Larissa. Die beiden planen, der „Stadtkante“ treu zu bleiben. „Besonders gespannt bin ich auf das Tattoostudio“, sagt Michael.
„Essenziale“-Chef Friedemann Götz versorgt die Besucher des „Wine- Tastings“ mit Gemüsechips.
Foto: Julian Rettig
Aus Rücksicht auf das Restaurant-Team ist das Ende des Tastings auf 22.30 Uhr festgesetzt, auch wenn niemand seinen letzten Wein hinunterstürzen muss. Am Schluss erzählt Lukas Gansky, dass sein Opa, der ihm den Wein nahegebracht hatte, vor acht Wochen verstorben sei. „Er ist mit Zuversicht in die Ewigkeit gegangen.“ Dann schließt Lukas mit seiner Lieblingsgeschichte über Wein aus der Bibel, der Hochzeit zu Kana. „Dort kommt der beste Wein zuletzt.“ Das könne man als Zeichen sehen: Der beste Wein kommt in der Ewigkeit. Bis dahin aber ist Trollinger auch nicht schlecht.