Was bedeuten diese Symptome nun? Ein Grund, mit dem erhobenen Zeigefinger auf die ehrenamtlichen Tafel-Mitarbeiter zu deuten, ist es jedenfalls nicht. Denn mit ihrer Notbremse machen die Tafeln nur deutlich, unter welcher Krankheit Deutschland leidet: Wir haben zu viele Menschen, die von ihrem Lohn oder ihrer Rente nicht leben können. Und wir schauen weg. Dass nun punktuell die Migranten das Fass der Armenhilfe zum Überlaufen gebracht haben, ist nicht den ausländischen Hilfesuchern zuzuschreiben. Es bringt nur ans Tageslicht, was schon längst Gehör hätte finden müssen.
In der Tat ist die Liste der Bedürftigen lang: Wohnungslose, in Altersarmut Lebende, prekär Beschäftigte, Alleinerziehende, Erwerbslose und Geflüchtete. „Die Tafeln dürfen nicht länger Ausputzer der Nation sein“, sagte folgerichtig die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg Barbara Eschen und forderte, dass staatliche Sozialleistungen die Existenz der Menschen zuverlässig sichern müssen.
Die Empörung über die Vorgänge in Essen ist teilweise berechtigt, aber sie muss dazu führen, dass die Ursachen erkannt werden. Die Frage nach Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und sozialem Zusammenhalt darf dabei nicht den Tafeln aufgebürdet werden. Es ist eine Frage von Sozialhilfesätzen, sozialem Wohnungsbau und vielem mehr. Die Symptome sind sichtbar. Nun muss der Staat eingreifen. Und bei aller berechtigten Flüchtlingshilfe: Wir dürfen die Armen im eigenen Land nicht vergessen.