„Viele Patienten sind zu Beginn der Therapie misstrauisch, da sie nicht genau wissen, was sie erwartet“, erklärt Peter Kaiser. Der Vertrauensaufbau sei am Anfang daher der wichtigste Schritt. Der Dolmetscher müsse in diesen Prozess unbedingt eingebunden werden. „Nach jeder Stunde besprechen wir gemeinsam: Was ist aufgefallen? Welche Themen waren schwierig? Der Dolmetscher wird zum Co-Therapeuten“, berichtet Kaiser weiter.
Die Mehrzahl der Patienten leide unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder unter Angststörungen. Männer und Frauen seien ungefähr gleich häufig von den Symptomen betroffen, ein Viertel der Patienten seien Kinder oder Jugendliche. Selbst nach vielen Monaten in Therapie sei es für viele Patienten immer noch schwierig, über das Erlebte zu sprechen.
Trauma überwinden - der Glaube an Gott kann helfen
Scham- oder Schuldgefühle oder auch die kulturelle Prägung seien für viele eine zu große Hürde, um sich vollständig auf den Prozess einzulassen: „Opfer einer Vergewaltigung zu sein, führt in vielen Herkunftsländern zum Verlust des sozialen Ansehens“, erklärt Peter Kaiser. Von diesen Erfahrungen dann in Anwesenheit eines Dolmetschers zu berichten, der Landsmann ist, sei für viele Betroffene unvorstellbar.
Jeder kleine Schritt in Richtung Normalität sei für die Patienten schon ein großer Therapieerfolg. Das könne das Überwinden von Schlafstörungen sein oder auch einfach nur die innere Bereitschaft, den Tag nach langer Zeit wieder mit einem Lächeln zu beginnen. Der Glaube an Gott könne vielen Menschen bei der Überwindung ihres Traumas helfen, es sei aber nicht unweigerlich der Fall. „Entscheidend ist, ob bei den Menschen Platz für etwas Spirituelles ist oder nicht“, sagt Kaiser.
Obwohl er täglich mit so viel Leid konfrontiert sei, würde sich Peter Kaiser immer wieder aufs Neue für diesen Beruf entscheiden: „Ich erlebe eine große Sinnhaftigkeit in meinem Tun und das erfüllt mich sehr“, sagt er. „Sobald ich auf dem Weg zu meiner Familie bin, wird mir bewusst, wie dankbar ich dafür sein darf, dass ich in diesem Land und zu dieser Zeit geboren worden bin. Ich habe sehr viel Glück gehabt. Das möchte ich weiter geben.“ □