Über 300 Frauen waren im vergangenen Jahr zum 4. Interreligiösen Frauenmahl ins Bildungszentrum Hospitalhof gekommen. In diesem Jahr führte Corona Regie – aus Abstandsgründen konnten nur 120 Anmeldungen angenommen werden. Das feine Essen – nach muslimischen (halal) und jüdischen (koscher) Speiseregeln zubereitet – musste diesmal an Stehtischen im Innenhof eingenommen werden – Corona hielt alles und alle auf Abstand. Nur nicht die Diskussionsfreude.
Hospitalhof. Großes Interesse: 120 Frauen konnten teilnehmen, trotz Corona. Foto: Brigitte Jähnigen
Frauen und ihr Leben sind Themen der Bildhauerin Birgit Rehfeldt. „Trotz Abitur und Studium war ich auf Kinderkriegen und Haushalt nicht vorbereitet“, sagt die Künstlerin. Und dann sei sie mit ihrer Berufswahl als Bildhauerin auch noch in eine Männerdomäne eingebrochen. Einige ihrer Arbeiten sind derzeit im Hospitalhof zu sehen. Amüsant und ernst zugleich ist ihre Skulptur „Heimspiel“. Ein Mann im Fußballtrikot macht Handstand auf einem Kochtopf, der auf einem Herd steht, der wiederum auf einem Feld von Kohlköpfen steht, das wiederum auf einer technischen Konstruktion steht. Die Schichtung von Themen – Rehfeldt lebt in Flughafennähe, wo die Abgase der Flugzeuge auf Äcker fallen – beeindruckte die Teilnehmerinnen.
Frauenpower - Tradition und Individualität
Gökcen Sara Tamer-Uzun ist Dozentin im Studiengang Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Dem Stereotyp einer gläubigen Muslima entspricht sie ganz sicher nicht. Dabei ist sie überzeugt: „Stereotype bestimmen die öffentliche Wahrnehmung.“ Ein präziser Blick – Tamer-Uzun bezieht sich auf aktuelle Studien – zeige, dass es einen eigenen deutschen Islam gebe. „Er ist geprägt durch eine starke Bindung zur Familie, aber auch durch hohe Leistungserwartungen gegenüber den Kindern, unabhängig von deren Geschlecht“, so die Dozentin. Nun seien vor allem die Väter gefordert, eine Balance zwischen traditioneller Kultur und Individualität zu finden.
Dass im traditionellen Judentum die Zugehörigkeit zum Judentum über die jüdische Mutter an die folgenden Generationen weitergegeben wird, daran erinnert an diesem Abend Nina Kölsch-Bunzen. Sie sprach über Bertha Pappenheim. 1859 in eine orthodoxe Wiener Familie hineingeboren, habe sich Bertha Pappenheim als frühe Netzwerkerin in der Frauenbewegung gezeigt, so die Professorin für Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik an der Hochschule Esslingen. In ihren Veröffentlichungen habe Bertha Pappenheim auf antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft hingewiesen. Zudem habe sie gegen Mädchenhandel und Prostitution gekämpft. „Das erste Frauenhaus in Deutschland, eingerichtet im Jahre 1907, wurde auf ihre Initiative gegründet“, sagt Kölsch-Bunzen. Selbstbewusstsein, Bildung und eine lebendige Tradition – dafür steht die Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim in bewundernswerter Konsequenz.
◼ Ab 6. August ist der Hospitalhof in der Sommerpause, am 1. September geht es dann weiter. Mehr im Internet: www.hospitalhof.de