„Unsere Wohnung ist eigentlich zu klein für fünf Personen, jeder Tag ist eine Herausforderung“, sagt Anna. Deshalb freuen sich alle, wenn die Sonne scheint. Wenn sie nicht in den Garten gehen, erfor-schen die Kinder ein Tal in Wohnungsnähe. „Sie erfinden jeden Tag etwas Neues, und manchmal fallen sie ins Wasser“, lacht sie. Deshalb wurde nun im Internet für jeden ein zweites Paar Gummistiefel bestellt.
„Angst vor Corona hab ich nicht, unsere Familie hat sich auch nicht an irgendwelchen Hamsterkäufen beteiligt. Was wir brauchen, werden wir bekommen“, sagt Anna. „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen“ – mit diesem Bibelvers aus Matthäus 6 ist sie groß geworden. „Der Pfarrer in meiner Heimatgemeinde war sehr überzeugend.“ Sie sei in einer armen Familie aufgewachsen, Überfluss brauche sie nicht. Und es sei sehr schön, dass sie in Stuttgart eine Kirchengemeinde gefunden habe, in der sie sich wohlfühlt.
Die Monster sind los: So sieht Paul die Situation auf seinem Tagebuch. Foto: Brigitte Jähnigen
„Bald ist Ostern, eigentlich verbringen wir das Fest bei unseren Eltern“, erzählt Anna. Wegen Corona ist das nicht möglich. Auch die Kinder seien traurig deswegen. „Das Zusammensein wird uns fehlen und auch der Gottesdienst“, sagt Anna. Geschenke wird es trotzdem für alle geben. Fotos und Zeichnungen der Kinder für die Großeltern sind schon abgeschickt. Egal, welche unerfreulichen Überraschungen das Leben bereithält – die als Erzieherin tätige 35-Jährige denkt immer an die Geschichte vom See Gene-zareth. „Der See tobte, die Jünger hatten Angst, aber Jesus blieb ruhig. Ich bin überzeugt, Gott schaut auf uns und beschützt uns“, sagt Anna.
Auch die Pfarrerin und mehrfache Mutter Elisabeth Jooß ist derzeit besonders gefordert. „Meine große Hoffnung ist, dass wir in dieser größten Fastenzeit der Nachkriegsgeschichte gezwungen sind, unser Leben in all seinen Dimensionen neu zu überdenken“, sagt die promovierte Theologin. Die Menschen sollten sich bewusst machen: Die Bewältigung des Klimawandels sei möglich. Solidarität sei möglich. Neue Freundschaften seien möglich, wenn es nur gewollt sei, sagt die Pfarrerin der Kirchengemeinde Stuttgart-Riedenberg.
Fünf Kinder gehören zur Familie von Elisabeth und Stefan Jooß. „Auf einen Tag zum anderen wurde ich Nachhilfelehrerin in fünf verschiedenen Klassenstufen und allen Fächern“, sagt Elisabeth Jooß. „Mittendrin“ sei sie auch bei der Nutzung sozialer Medien, müsse neue Programme installieren. Über die Pannen im Umgang mit der modernen Technik lachen sie mitunter alle gemeinsam. Musik spielt in der Familie eine wichtige Rolle. Jetzt soll ein „Corona-Album“ aufgenommen werden.
Coroana-Krise - Das Leben neu überdenken
Im Pfarrberuf sucht die Theologin nach neuen Formen der Begegnung: Dazu gehört ein Einkaufsservice für Ältere (auch für die, die nicht zur Kirchengemeinde gehören), Mutmacher auf der Internetseite und vor der Kirchentür für Spaziergänger. „Wirkliche Experten der Hoffnung aber sind die älteren Menschen, sie sind oft so viel gelassener als wir jüngeren“, sagt Jooß.
Die Osterhoffnung – das werde in diesen Tagen deutlich – sei eine Lebenshoffnung, die den Tod nicht verleugne, davon ist Elisabeth Jooß überzeugt. Die Osterhoffnung sei nicht, dass das Leben weiter-gehe wie bisher, dass Auferstehung nur Auferstehung des Alltags sein würde. Leben habe einen tieferen Sinn und eine größere Bedeutung. „Ich hoffe für unser kirchliches Leben, dass es transformiert aufersteht in anderer Kraft“, wünscht sie sich.