Der Pfarrdienst wird bunter
Aber die Evangelisch-theologische Fakultät in Tübingen führt zum nächsten Wintersemester den „Studiengang Evangelische Theologie für Berufsqualifizierte“ ein. Er erstreckt sich über zwei bis drei Jahre und bietet Menschen in einem nicht-kirchlichen Beruf mit einem überwiegend nicht-theologischen akademischen Abschluss – mindestens Bachelor – und mindestens fünf Berufsjahren die Möglichkeit einer Neuorientierung in Richtung Pfarramt. In Tübingen steht am Ende kein von der Fakultät verliehener Master, sondern eine kirchliche Abschlussprüfung. Während des Studiums wird die bisherige Berufspraxis theologisch reflektiert. Das ist spannend, weil die Menschen außerhalb der Kirche gearbeitet haben und dann darüber nachdenken, wie sie Kirche leben wollen. Solche Menschen sind wertvoll. Durch die alternativen Zugänge wird der Pfarrdienst bunter, das tut uns gut.
Wer den Master „Theologische Studien“ absolviert, kann von der Landeskirche ein Stipendium bekommen. Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, um in das Förderprogramm zu kommen – und wie hoch ist die Unterstützung?
Kathrin Nothacker: Voraussetzung ist, dass die Menschen mit uns sprechen und dass sie sich an der Uni um eine Zulassung beworben haben. Dann bekommen sie für zwei Jahre 500 Euro im Monat. Das reicht natürlich nicht für die gesamten Lebenshaltungskosten. Aber es ist eine Stabilitätsbasis für die zwei Jahre des Studiums. Fürs grundständige Studium gibt es die Studienhilfe. Diese speist sich aus einer jährlichen Kollekte in unseren Gottesdiensten. Außerdem gibt es noch das Evangelische Stift in Tübingen, in dem Theologiestudierende, die auf Pfarramt oder Lehramt studieren, als Stipendiaten kostenlos wohnen können – inklusive Verpflegung.
Wie haben sich die Studierenden-Zahlen in den vergangenen 10 bis 15 Jahren entwickelt?
Kathrin Nothacker: Die Zahlen derer, die im grundständigen Theologie-Studium sind, waren in den letzten zehn Jahren recht stabil: Es sind in der Regel zwischen 265 bis 275 Menschen, die sich auf die Liste der Theologiestudierenden eintragen – die sich also auch für eine Tätigkeit als Pfarrer oder Pfarrerin interessieren. Ein Drittel davon sind Männer, zwei Drittel Frauen. In Württemberg haben wir damit eine recht komfortable Situation, denn die Studierendenzahlen sind stabil, während die Abiturjahrgänge kleiner werden. Das bedeutet auch, dass das grundständige Studium attraktiv ist und wir keine Probleme haben, über diesen Weg Pfarrersnachwuchs zu bekommen. Die Personalstrukturplanung sieht vor, dass im Schnitt jährlich zwischen 40 und 45 Personen ins Vikariat aufgenommen werden können. Das gelingt auch, und damit sind wir in Württemberg sehr gut aufgestellt.
Wie viele Personen sind bislang ohne grundständiges Studium ins Vikariat oder ins Pfarramt gegangen?
Kathrin Nothacker: In den vergangenen zehn Jahren waren es 23 Menschen, die über die berufsbegleitende Ausbildung im Pfarrdienst eingestellt wurden. Über den Weg der Masterstudiengänge haben wir in unserer Landeskirche bislang noch niemanden aufgenommen. Das liegt auch daran, dass die Menschen, die diese Ausbildung durchlaufen, in der Regel Familie haben, ortsgebunden sind und deshalb nicht nach Greifswald, Marburg oder auch Heidelberg gehen wollen. Da erwarten wir ab diesem Herbst/Winter, dass sich etwas ändert. Denn mit dem neuen Studiengang in Tübingen wird dieses Angebot für Interessierte in Württemberg attraktiver. Die Personalstrukturplanung für 2020 bis 2026 sieht darüber hinaus vor, dass etwa 15 weitere Menschen über alternative Zugänge aufgenommen werden können. Das sind Menschen mit individuellen Berufsbiografien, auch solche aus anderen Ländern.
In Landeskirchen in Ostdeutschland gibt es den so genannten Kirchlichen Fernunterricht. Darüber werden Laien innerhalb von drei Jahren dafür ausgebildet, Pfarrdienste ehrenamtlich zu übernehmen. Ein Modell auch für Württemberg?
Kathrin Nothacker: Nein. Weil wir so gut aufgestellt sind, brauchen wir keine andere Ausbildung und auch noch keinen ehrenamtlichen Pfarrdienst. Die Verhältnisse in Württemberg sind anders als in Ostdeutschland. Wir legen Wert darauf, dass die kirchliche Landschaft und die Strukturen so sind, dass eine Pfarrerin oder ein Pfarrer gut arbeiten kann. Bei uns gibt es das nicht, dass eine Pfarrstelle für 15 Dörfer zuständig ist. Unsere Gemeindestrukturen sind so, dass eine Pfarrerin Gemeindeglieder vielleicht einmal in zwei Gemeinden zu betreuen hat, aber nicht in mehr. Das macht den württembergischen Pfarrdienst aus. Außerdem haben wir eine sehr gute Prädikantenausbildung. Mit ihr qualifizieren wir Ehrenamtliche zum Verkündigungsdienst. Der Prädikantendienst ist eine schöne und hilfreiche Ergänzung zum Pfarrdienst. Deshalb sehen wir keine Notwendigkeit, eine Pfarrersausbildung für Ehrenamtliche anzubieten.
Erkennt die Landeskirche auch Abschlüsse von konfessionellen, also nicht-staatlichen Hochschulen als Zugang zum Pfarramt an, beispielsweise den Master der Theologischen Hochschule Reutlingen?
Kathrin Nothacker: Wir erkennen etliche Module und Ausbildungseinheiten der Theologischen Hochschule in Reutlingen an. Das macht die Fakultät in Tübingen für uns. Voraussetzung für eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst ist allerdings die Erste Evangelisch-theologische Dienstprüfung.
Kathrin Nothacker beim Predigen. Foto: Pressefoto/ Wenke Böhm
Prädikanten sind eine gute Ergänzung
Die Theologische Hochschule in Reutlingen ist seit 2005 durch den Wissenschaftsrat institutionell akkreditiert und durch das Land Baden-Württemberg als Hochschule staatlich anerkannt. Wieso reicht das der Landeskirche nicht?
Kathrin Nothacker: Die Theologische Hochschule in Reutlingen ist die Ausbildungsstätte der methodistischen Kirche. Sie bildet Pastorinnen und Pastoren für die Arbeit in den Evangelisch-methodistischen Gemeinden aus. Jede Kirche definiert für sich eigene Bildungsvoraussetzungen. Im Bildungsangebot überschneidet sich manches mit dem, was an den Evangelischtheologischen Fakultäten gelehrt wird, aber eben nicht alles.
Der vor kurzem verstorbene Mundartpfarrer Rudolf Paul hatte eine theologische Ausbildung bei den Baptisten absolviert, bevor er 1972 Pfarrer der Landeskirche wurde. Wäre das heute noch denkbar?
Kathrin Nothacker: Das ist ein ganz besonderer Werdegang. Nicht ganz ausgeschlossen, dass es das heute in Einzelfällen auch gibt. Dann überlegen wir gemeinsam, was es noch braucht für eine solche Person, um gut in den Pfarrdienst hineinzukommen und in unserer Landeskirche einen guten Platz zu finden. Bei einer Aufnahme in den Pfarrdienst ist es uns immer wichtig, dass der- beziehungsweise diejenige in der Lage ist, innerhalb der gesamten Landeskirche eingesetzt zu werden, nicht nur innerhalb eines bestimmten Frömmigkeitsspektrums. □