Barcamps stammen aus der IT-Branche. In der Regel gibt es außer festgelegten Zeiträumen keine vorgegebene Struktur. In Stuttgart wollten die Organisatoren dem Zufall dann doch nicht vollständig das Feld überlassen. So hat das Kirchen-Barcamp am Freitag mit angekündigten Vorträgen begonnen.
Digitale Kirche - Livestream, App und Co.
Am Samstagmorgen aber heißt es freie Fahrt für die Vorschläge aus der Runde. Was zusammenkommt, erstaunt Organisatoren wie Teilnehmer. In einer langen Schlange stehen alle an, die eine „Session“ halten und sich zu einem bestimmten Thema austauschen wollen. Die Bandbreite reicht von technischen Fragen („Wie gestalte ich einen Livestream?“) über kirchliche Formate im Internet (Konfi-App, Trauerportal) bis zum offenen Gedankenaustausch über die Frage „Wie kann digitale Kirche in 20 Jahren aussehen?“. Nach jedem der rund 25 Vorschläge fragt Christoph Breit in die Runde, wie viele sich dafür interessieren. Anhand dessen werden mit Zetteln an einer Magnettafel die Sessions auf die Räume verteilt.
Die Session „Hate Speech macht mich sprachlos“ hat viele Interessenten und findet im größten Raum statt, die weniger nachgefragte Session „E-Mail-Kommunikation“ in einem kleineren. Nachdem einige Leiter mit ihren Sessions auf den Sonntag ausgewichen sind und andere die Zeiträume am Samstag getauscht haben, steht, eine halbe Stunde später als geplant, das Programm für den ersten Tag.
Planung am PC ist easy und die Nachrichten, die sie verschicken, können andere zuhause am Computer lesen und kommentieren.
© Foto: Martin Janotta
In einen etwas versteckten Raum zieht es rund 20 Teilnehmer. Thomas Zeilinger, einer der Referenten des Vortags, hat zum Gedankenaustausch über „Digitale Bildung“ eingeladen. Zeilinger ist Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und Beauftragter der bayerischen Landeskirche für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft. „Was hat sich bei euch an Inhalten und Formaten bewährt?“, fragt er die Runde. Die Teilnehmer schreiben Beispiele auf. Wieder sehr analog: mit Edding-Stiften auf buntem Papier.
Fehlendes digitales Knowhow bei vielen Ehrenamtlichen innerhalb der Kirche
Der anschließende Austausch ist offen. Klar wird, dass es in jedem Bereich, ob Schule, Diakonie oder Gemeinde, und in jeder Landeskirche ähnliche Hindernisse gibt: fehlende digitale Kenntnisse bei Ehrenamtlichen und Mitarbeitern und die langsamen Prozesse in kirchlichen Strukturen. „Bei uns spielt digitale Bildung in der Ausbildung keine Rolle, wie ist das in euren Landeskirchen?“, fragt ein württembergischer Vikar. Manche weisen auf die guten Erfahrungen hin, die sie mit digitalen Angeboten gemacht haben. Etwa ein Vertreter der „Mission Eine Welt“, der eine Internetseite mit einem „Konsumkrimi“ gestaltet hat, wo Schüler auf spielerische Art lernen, wie Rohstoffe abgebaut werden. Auch Thomas Zeilinger verweist auf positive Beispiele digitaler Bildungsplattformen, wie das Online-Lexikon „ethik-evangelisch.de“.
Die Hindernisse bei der Digitalisierung in Gemeinden kommen bei der Session „Coole Websites“ zur Sprache. Leiterin Tina Schill überlegt mit der Gruppe, was eine Internetseite benötigt: Sie muss aktuell sein, gut zu finden, einfach bedienbar ... Wichtig sei die Zielgruppe: Suchen die Leute dort theologische Impulse? Oder ist wichtiger, dass Basis-Informationen schnell zu finden sind – etwa die Adresse der Kirche für Gäste, die zu einer Hochzeit kommen?
Schill empfiehlt, von den Medienhäusern der Landeskirchen angebotene Baukasten-Systeme für Internetseiten zu verwenden. Inhaltlich sollte man die Seite nicht überfrachten. „Auf keinen Fall ganz viel anfangen, das nicht weitergeführt wird.“ Oft sollten Pfarrer Ehrenamtliche „auch einfach mal machen lassen“ und nicht darauf bestehen, dass Hochzeit, Taufe und Beerdigung auf der Internetseite nur unter „Kasualien“ zu finden sind. Einige Teilnehmer beklagen, dass in Gemeinden analoge Lösungen oft den Vorzug vor digitalen bekommen. Wandkalender und Gemeindebrief seien beliebter als Onlinekalender und Website.
Analog und digital in den Kirchen miteinander verknüpfen
Wie Analog und Digital verknüpft werden können, zeigt das Barcamp selbst. Denn neben der analogen Veranstaltung in Stuttgart gibt es auch die digitale Version des Barcamps. Über soziale Medien teilen Teilnehmer Erfahrungen und Bilder. Nutzer, die nicht dabei sind, kommentieren übers Internet. „Es gibt Pfarrer, die haben eine Computerallergie“, schreibt etwa Nutzer „CBoruttau“ auf Twitter. Vernetzung digital.
Für Micaela von Preußen war das Barcamp ein Erfolg: „Alle haben sich wohlgefühlt und waren sehr umtriebig.“ 2020 wollen die drei Landeskirchen erneut ein Barcamp veranstalten, diesmal wohl in Baden. Dann sind bestimmt wieder viele diesjährige Teilnehmer dabei. So wie die Twitter-Nutzerin, die unter dem Namen „connylisa“ schrieb: „Eine Pfarrerin braucht Glaube, Hoffnung, Liebe. Und die Erfahrung eines Barcamps. Weil diese sie glauben, hoffen und lieben lässt, wie Kirche hier großartige Menschen mit tollen Potentialen zusammenbringt.“
◼ Informationen und die Social Media Wall zum Barcamp im Internet unter www.barcamp-kirche-online.de