Hilfe kam durch eine Blitzaktion über eine bei der Leonberger Feuerwehr gebündelte Hotline. Und schon zwei Wochen später konnte der Tafelladen in Leonberg wieder öffnen. Handballer des SV Leonberg/ Ettlingen, Studentinnen, deren Präsenzstudium ausgesetzt war und Privatpersonen waren nun die neuen Ehrenamtlichen. Doch schon wieder bahnt sich eine Umstrukturierung an: Studenten müssen wieder büffeln, Handballer wollen trainieren, Privatpersonen arbeiten verstärkt im Homeoffice. „Ach, das kriegen wir auch noch hin“, sagt Dagmar Kurz und bittet dennoch um Hilfe. „Wir brauchen dringend FSJ-ler und bieten zwei freie Stellen an, eine sogar für sofort“, sagt Kurz. Die Bewerber sollten volljährig sein und darüber hinaus einen Auto-Führerschein haben.
Die Historie der fast 1000 Tafelläden in Deutschland greift zurück ins Jahr 1993. Die Gruppe „Berliner Frauen e. V.“ gründete die erste deutsche Tafel in Berlin, um vor allem die Situation von Obdachlosen zu verbessern. Ihre Idee, Lebensmittel, die nach dem Gesetz der Marktlogik „überschüssig“ sind, in eigens eingerichteten Läden (Tafeln) zu reduzierten Preisen zu verkaufen, verbreitete sich rasch in ganz Deutschland. 1995 gab es bereits 35 Tafeln in unterschiedlichster Trägerschaft. Lebensmittel zu retten und an Bedürftige weiterzugeben – dieser Gedanke zündete auch in Südafrika, Australien, Österreich und der Schweiz.
Der Tafelladen Leonberg wird finanziert vom evangelischen Diakonieverband Böblingen, vom Kirchenbezirk Leonberg und über Geld- und Sachspenden. „Wir haben tolle Kontakte zu Bäckereien, Supermärkten, zu Gärtnereien und Hofläden“, schwärmen Peter Langenstein und Dieter Schweizer. Die beiden Pensionäre fahren mit einem gesponserten Mobil zweimal pro Woche zehn bis 15 Verkaufsstellen an, um dort Lebensmittel zu übernehmen, die nach gründlichem Anschauen und manchmal auch Aussortieren in den Tafelladen gebracht werden. Dort werden Regale und Kisten von ehrenamtlichen Helfern mit einer erstaunlichen Vielfalt an Waren bestückt. „Die hygienischen Bestimmungen in den allgemeinen Supermärkten sind strikt, dazu kommt die Anspruchshaltung, die zum Beispiel Bäckereien zwingt, immer frische Ware bereitzuhalten, weil die Kunden das so wünschen“, sagt Dieter Schweizer und verweist auf die bestens bestückten Regale im Tafelladen mit Gebackenem.
Eher Raritäten sind Artikel wie Deodorants, Haarwaschmittel, Babywindeln und Rasierklingen. Mit einem Lächeln zeigt Dagmar Kurz, dass sie – wenn auch in begrenzter Stückzahl – trotzdem vorrätig sind. Ein Lager- und ein Kühlraum garantieren, dass alle Hygienevorschriften eingehalten werden können.
Viel mehr als nur ein Einkauf im Tafelladen Leonberg
„Die Kunden, die in den Tafelladen kommen, wünschen mehr als einen Einkauf, sie wollen auch Ansprache“, sagt Kurz. Die Situation sei immer ähnlich: Zu wenig Geld, zu kleine Wohnungen, drohende Isolation. „Wir leben hier in der Gegend in einer gespaltenen Gesellschaft“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin. Namhafte Wirtschaftsansiedlungen böten gut bezahlte Arbeitsplätze, viele Menschen hätten oder erwarteten ererbtes Geld, Immobilien seien „für Zuzieher“ zu teuer, Mieten zu hoch.
Auch die Situation von Witwen, die die traditionelle Rolle einer Hausfrau gelebt hätten, sei nicht immer rosig. Dennoch: „Es macht Spaß, hier zu arbeiten“, sagt ein Helfer, der namenlos bleiben möchte. Seit fünf Jahren gehört er zum Team des Tafelladens und hat das Gefühl, „etwas Sinnvolles zu tun“. Auch wenn er dafür keinen einzigen Cent bekommt und nicht gern öffentlich über sein Engagement spricht. □
◼ Die Tafel ist derzeit montags und donnerstags von 12 bis 15 Uhr geöffnet und befindet sich im Stadtteil Ettlingen in der Wilhelmstraße 39.