Die Positionen der Diskussionsteilnehmer auf dem Kirchentag stehen beispielhaft für die Art, wie über Digitalisierung gestritten wird. Ist sie eine große Gefahr oder bietet sie eine große Chance? Und wie kann man sie gestalten? Eines ist klar: Sich der Digitalisierung völlig entziehen kann heute so gut wie niemand mehr. Keine Privatperson, die im Berufsleben steht, entkommt all dem. Und Organisationen erst recht nicht.
Das gilt auch für die württembergische Landeskirche. Sie hat sich entschieden, den Wandel mitzugehen. Sie will, so schreibt sie auf ihrer Internetseite, „die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung mitgestalten und deren Chancen für die Kommunikation des Evangeliums nutzen“. Darum kümmert sich die Projektgruppe Digitalisierung, die eine „Digitale Roadmap“ erarbeitet hat, einen Fahrplan für die Digitalisierung in der Landeskirche. Und es gibt einen Verantwortlichen für den Digitalen Wandel, Nico Friederich. Seinen Beitrag lesen Sie auf Seite 6.
Technologischer Wandel ist heute nur noch als Prozess zu begleiten, er wird nicht an sein Ende kommen. Die Landeskirche bittet die Mitglieder um Ideen, wo die Technologie von Nutzen sein kann. Auf bislang vier landeskirchlichen Digitalisisierungsforen haben sich Teilnehmer aus der Kirche und von außerhalb zu Themen rund um die Digitalisierung ausgestauscht. Das fünfte Digitalisierungsforum findet am 20. März im Stuttgarter Hospitalhof statt. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf der kirchlichen Bildung.
Im Bildungsbereich werden die Chancen der Digitalisierung besonders deutlich. Auf Lernplattformen können Materialien jeder Art bereitgestellt werden, Texte, Filme, Hörbeispiele, interaktive Elemente. Lernen wird vielfältiger, spielerischer. Auf dem Digitalisierungsforum im Hospitalhof gibt es beispielsweise Teilforen, in denen es um die Gestaltung von Trickfilmen, den Einsatz einer Smartphone-App in der Konfirmandenarbeit oder von Bildungsfilmen im Unterricht geht.
„Was bedeutet Bildung im digitalen Kontext?“, fragt Stefan Werner, Direktor im Oberkirchenrat, auf der Internetseite der Landeskirche, www.elk-wue.de. „Welcher Stellenwert kommt kirchlicher Bildung zu, im Umgang mit den Folgen der Digitalisierung? Wie gelingt es die sich durch die Digitalisierung bietenden Möglichkeiten in den verschiedenen Bildungskontexten praktisch einund umzusetzen? Wie können wir mit dem Spannungsfeld zwischen Innovation und Problematisierung umgehen?“ Darüber soll im Hospitalhof gesprochen werden.
Der Begriff „Problematisierung“ zeigt, dass die Digitalisierung eben nicht nur positive Seiten hat. Das fängt bei wirtschaftlichen Aspekten an. Wer schreibt die Programme und diktiert, wie sie zu nutzen sind? Oft sind das die großen Digitalkonzerne aus den USA. Und wer greift auf die Daten zu, wertet sie aus, wer verdient und wer verliert?
Das führt rasch zu ethischen Fragen: Was geschieht, wenn Menschen Maschinen gegenübersitzen und mit Algorithmen gefüttert werden? Sollte seelsorgerische Arbeit und Bildung nicht zwingend zwischen leibhaftigen Menschen erfolgen? Wo wird künstliche Intelligenz zur Gefahr für den Menschen? Der Theologe Werner Thiede ist ein starker Kritiker der Digitalisierung. Seinen Beitrag lesen Sie auf Seite 7.
In all dem wird deutlich: Spricht man über Digitalisierung, können die Argumente schnell von Befindlichkeiten verdrängt werden, von Ängsten auf der einen und Hoffnungen auf der anderen Seite. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Ohne Augenmaß, Vertrauen und Zuversicht wird es nicht gehen.
◼ Das 5. Digitalisierungsforum der Landeskirche findet im Hospitalhof Stuttgart statt. Das Programm im Internet: www.elk-wue.de/leben/digitalisierungsprojekt