Die Menschen reden hier gerne, geben bereitwillig Auskunft, es dauert keine zwei Stunden, bis man über alle Höfe und die Gegend Bescheid weiß. Der Schneiderhof zum Beispiel backt immer an einem Samstag. Er ist auch die einzige dauerhaft bewirtschaftete Einkehrstation entlang der Strecke. Mit einer zünftigen Vesperkarte und hauseigenem Most. Der Wurstsalat ist ein Gedicht, das Bauernbrot natürlich auch und der Most etwas, das man probiert haben sollte. Das Glas kostet 1,50 Euro, wer den vergorenen Saft nicht gewohnt ist, bestellt vorsichtshalber eine Schorle.
Es gibt so viel zu entdecken am Wegesrand. Zu den auffälligsten Dingen gehören die farbenfrohen Longinuskreuze, die hier so manchen Bauernhof zieren. Longinus war jener römische Hauptmann, der dem gekreuzigten Jesus die Lanze in die Seite stieß. Später wurde Longinus Christ und starb den Märtyrertod. Er zählt zu den Heiligen der katholischen Kirche, ein Bauernpatron, der vor allem im Einflussbereich der Habsburger beliebt war.
Seit 1567 standen die Yacher unter dem Einfluss der habsburgischen Vorderösterreicher, die den Longinus-Kult beförderten. Die Schwarzwälder Bauern wiederum verehrten Longinus, weil er ein berittener Soldat war und sie selbst oft als Kavalleristen dienten. So wird Longinus häufig als badischer Dragoner dargestellt, nachdem auch der Landstrich rund um den Brotweg 1806 dem Großherzogtum Baden zugeschlagen wurde. Ein besonders farbenprächtiges Longinus-Kreuz steht am Schneiderhof. Der römische Hauptmann sitzt dort auf einem Schimmel und hält eine gelbrote Lanze in seiner Rechten. Das Kreuz ist bestückt mit allerlei Gegenständen aus der Passion Jesu und reiht sich damit in die Tradition der sogenannten Arma-Christi-Kreuze ein: Andachtsbilder, die die Leidenswerkzeuge des Gekreuzigten zeigen.
Der Brotweg ist ein unterhaltsamer Weg. Und einer mit malerischen Aussichten. Nach dem Schneiderhof steigt er an und geht über einen grasigen Waldweg hinauf auf rund 800 Meter Höhe. Der Blick ins Tal ist famos. Bis nach Elzach kann man schauen, über bewaldete Hügel und dünnbesiedelte Täler. In früheren Zeiten waren auch die Hügel waldfrei.
Brotgetreide wuchs dort auf breiter Fläche, in unwirtlichen Lagen, die heute kein Mensch mehr bewirtschaften würde. Aber die Menschen waren arm und mussten sich selbst versorgen. „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Für die einfachen Bauern aus dem Südschwarzwald war dies eine Bitte mit ganz wörtlicher und existentieller Bedeutung. Fiel die Ernte aus, ging es ums Überleben und die Frage, wie man über den nächsten Winter kommt.
Das Dorf Yach im Schwarzwald liegt am Brotweg. Foto Andreas Steidel
Das alles erfährt man auf Hinweistafeln am Wegesrand. Der Brotweg ist eine Reise durch die Zeiten und ein Hochtal, das zum Glück trotzdem recht ursprünglich geblieben ist. Kaum ein Laut stört die Stille, keine Durchgangsstraße, deren Rauschen das des Waldes übertönt. Der Brotweg endet dort, wo er begonnen hat, an der Kirche von Yach. Erst 1827 hat der Ort ein eigenes Gotteshaus bekommen. Jahrhundertelang gehörten die Bauern zur Pfarrei St. Nikolaus in Elzach und mussten ins Tal ausweichen. Wandern war für sie nicht immer nur ein Vergnügen.
Brotweg bei Yach im Schwarzwald. Foto: Andreas Steidel