Franziskusweg im Deggenhausertal - Eine fast mystische Atmosphäre
Der Schnee knirscht bei jedem Schritt unter den Schuhen. Es geht bergauf, dann in einen Feldweg hinein. „Gepriesen seist Du, alles erschaffende Kraft. Gütiger, liebender Gott wagen wir Dich zu nennen. Du allein gibst den Segen. Dein ist das Lob und die Ehre.“ Der erste von insgesamt zehn Bildstöcken ist erreicht, auf denen jeweils ein Vers des Sonnengesangs zu lesen ist, den Franziskus kurz vor seinem Tod im Jahr 1226 niederschrieb – seine zentrale Dichtung. In zeitgemäße Sprache gebracht und auf Holztafeln eingraviert wurden die Worte von der örtlichen Künstlerin Inge Klawiter. Die zu den Texten passenden Keramiktafeln haben Schüler der fünften Klasse der ehemaligen Hauptschule Wittenhofen modelliert.
Franziskusweg im Deggenhausertal - "Tal der Liebe". Foto: Brigitte Geiselhart
Zeit, um ein wenig innezuhalten. Auch an den nächsten Stationen. Die bereitgestellten Holzbänke sind mit Schnee bedeckt. Deshalb mag man eine Rast an diesem kalten Wintertag doch lieber im Stehen verbringen – und den Blick über weite Felder in die unberührte Schneelandschaft schweifen lassen. Und ein Schluck warmen Tees aus der mitgenommenen Thermoskanne tut in jedem Fall gut.
Die Gemeinde Deggenhausertal im Norden des Bodenseekreises grenzt auch an die beiden Landkreise Sigmaringen und Ravensburg. Zu ihr gehören die bis 1972 selbständigen Ortschaften Deggenhausen, Homberg, Roggenbeuren, Untersiggingen, Urnau und Wittenhofen, die alle ihren ganz eigenen Charme haben. Das Gemeindegebiet erstreckt sich zwischen dem Rand der Hochfläche des Höchsten und dem Gehrenberg und ist Teil des Oberschwäbischen Hügellands. Der höchste Punkt der Gemeinde liegt auf einer Meereshöhe von 832 Metern, der tiefste auf 457 Metern.
Warum das Deggenhausertal auch „Tal der Liebe“ genannt wird, um diesen Gedanken ranken sich viele Geschichten. Dass man sich zwischen dem Höchsten und dem Gehrenberg und in direkter Nähe zum Bodensee in lieblicher landschaftlicher Umgebung befindet, das wird dem Wanderer schnell klar. In der ländlich geprägten 4000-Seelen-Gemeinde fernab vom Trubel auf viele Bauernhöfe, Gaststätten und malerische Kirchen zu treffen, das macht das Deggenhausertal auch für Urlauber äußerst reizvoll und liebenswert. Manche vermuten aber auch einen Zusammenhang mit der schlechten Versorgungslage nach dem Zweiten Weltkrieg. Demnach sollen viele Hilfesuchende – gerade Frauen und Kinder – große Fürsorge von den Bauern im Deggenhausertal erfahren haben. Nicht zuletzt geht das hartnäckige Gerücht um, dass die jungen Damen im Deggenhausertal sehr ansprechende Eigenschaften besessen haben sollen. So soll manch ein Jüngling nach einem Abstecher ins Tal verheiratet in seinen Heimatort zurückgekehrt sein. Sofern er überhaupt zurückkehrte und nicht gleich für immer im „Tal der Liebe“ blieb.
Deggenhausertal das "Tal der Liebe" - Zeit für Stille
Zurück auf den Franziskusweg, der als ein Projekt der lokalen Agenda 21 auch von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, dem Förderverein und der Gemeindeverwaltung Deggenhausertal geplant und unterstützt wurde. Inzwischen hat man gut die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht. Außer zwei Spaziergängern mit ihren Hunden scheint hier an diesem Vormittag kaum jemand unterwegs zu sein. Verschiedene Tierspuren im Schnee verstärken den Eindruck, dass sich in dieser idyllischen Umgebung Fuchs und Hase nicht nur sprichwörtlich „Gute Nacht“ sagen. Eine Einsamkeit, die als wohltuend und innerlich beruhigend empfunden wird.
Fünfte Station: „Gepriesen seist Du Gott für Schwester Wasser, nützlich und kostbar, köstlich und rein, Ursprung und Anfang, Quelle des Lebens – Dir gleich.“ Nach einigen etwas anstrengenderen Abschnitten darf man sich jetzt ein wenig ausruhen und die Bergabstrecke genießen. Aber gerade hier zeigt sich, dass gutes Schuhwerk auf dem rutschigen Untergrund unabdingbar ist. Dann führt der Franziskusweg noch einmal in den Wald hinauf, bevor das Ziel der Wanderung fast schon in Sicht ist. Zehnte Station: „Lobet und preiset Gott und danket und dienet ihm mit großer Demut und Freude am Leben.“
Deggenhausertal. Tal der Liebe. Franziskusweg. Foto: Brigitte Geiselhart
Jetzt ist der Ausgangspunkt in Wittenhofen erreicht. Sieben Kilometer an Wegstrecke und knapp 200 Höhenmeter sind geschafft. Die Stimmung der beiden Wanderer ist nach wie vor gut. Zwei Stunden sind schnell vergangen. Zwei Stunden, die Körper und Seele gutgetan haben. Ein Gedanke bleibt im Hinterkopf: In ein paar Monaten an die gleiche Stelle zurückzukehren, um dann den Franziskusweg im Deggenhausertal im Sommersonnenlicht noch einmal ganz neu erleben zu dürfen.