Von diesem Geist war auch Oscar Fraas. Er hatte von seiner Kirche aus denselben Blick wie der heutige Wanderer: Ein mächtiger Weißjura-Brocken dominiert die südliche Talseite: der Gräbelesberg mit seiner gewaltigen Felswand. Das erste Ziel unserer Wanderung. Vom Bahnhof weg folgen wir der Ausschilderung Richtung Traufgang Hossinger Leiter, zur beliebten Traufganghütte. Dort stoßen wir auf den Rundweg, bleiben noch etwa 300 Meter geradeaus, biegen dann rechts ab ins Brunnental und folgen der Ausschilderung zur Hossinger Leiter.
Aussicht ins Tal. Auf den Spuren des Steiner-Fraas. Laufen an der Eyach. Foto: Wolfgang Albers
Hossinger Leiter. Laufen an der Eyach. Auf den Spuren des Steiner-Fraas. Foto: Wolfgang Albers
Schön sehen wir im Bergwald das zerklüftete Gestein. Ein ehemaliges Meer-Riff. Fraas wusste, dass das Albgestein reich an Fossilien ist. Er legte eine umfangreiche Sammlung an, zeigte auch seiner Gemeinde Fundorte. Mit anderen sammelte er Fossilien, reinigte und bestimmte sie und richtete in seinem Pfarrhaus ein Musterlager ein, eine Verkaufsstätte für Sammler, die bald von weither kamen. Selbst Museen kauften hier ein. Der Erlös kam voll und ganz seiner Laufener Gemeinde zugute.
Der Weg steigt schließlich deutlich an und führt direkt unter einen mächtigen Felsriegel. Da ist schon ein bisschen Achtsamkeit gefordert, rechts geht es ziemlich steil dahin. Die Felsen riegeln das Tal komplett ab, bis 1899 überwanden die Albbewohner sie nur mit Holzleitern. Erst dann wurden die eisernen Treppen gebaut, die nun sicher auf die Hochfläche leiten.
Hossingen im Dekanat Balingen. Foto: Wolfgang Albers
Dort geht der Blick gleich ins Weite, hinüber nach Hossingen und auf seine Nikolauskirche. Der Weg führt uns aber wieder an die Bergkante, zur Kuppe des Heimberges. Unser höchster Punkt und das erste von einigen folgenden Panoramen.
Vor allem am Gräbelesberg, dessen Plateau wir betreten, wobei wir beidseits des Weges Wälle und Gräben sehen. Der Berg war einst bewohnt. Aber von wem? Den Kelten? Noch früheren Siedlern? Möglicherweise ist das Gelände auch im Mittelalter Rückzugsort gewesen. Um eine Antwort auf diese Fragen zu bekommen, müssten Archäologen das Gelände genauer untersuchen.
Der Gräbelesberg ist eine perfekte Aussichtswarte. Schon Julius Wais, Pionier der touristischen Albliteratur, hat es fast geschaudert: „Der Blick in die wilde Umgebung hat etwas Hochgebirgsmäßiges.“
Und er zeigt natürlich, wie furios hier die geologischen Kräfte gewirkt haben – was auch Theodor Engel nicht entging. Er war einer der Nachfolger von Oscar Fraas (der inzwischen Karriere im Königlichen Naturalienkabinett in Stuttgart gemacht hatte, aber nach wie vor sammelnd im Land unterwegs und dort als „Steiner-Fraas“ bekannt war). Laufen war die erste Pfarrstelle von Theodor Engel – er hatte sich aus Gründen der geologischen Bedeutung dorthin beworben. Auch für seine späteren Stellen war dies das Hauptkriterium.
Das klingt nach privater Liebhaberei, aber Theodor Engel trug seine Passion in die Öffentlichkeit. Er gehört quasi zu den Pionieren des Alb-Marketings. In vielen Vorträgen und gezielt populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen pries er die Attraktivität des eher als Armenhaus verschrieenen Gebiets, verfasste Wanderführer und gehört zu den Mitbegründern des Albvereins.
Vom Gräbelesberg folgen wir bergab dem Traufgang-Weg. Wir haben dabei eine lange Geradeaus-Passage, der Gräbeles-Weg. Nach knapp einem Kilometer biegt der Traufgang-Weg scharf rechts in den Steig-Weg ab, wir aber bleiben geradeaus und kommen bald an den Waldrand, wo wir dem Weg rechts hinunter folgen und wieder die Laufener Ortsmitte erreichen.