Eine beeindruckende und keineswegs erschöpfende Liste. Die Verknüpfung des evangelischen Glaubens mit dem Präsidentenamt ist bis heute vorhanden. Trotz der nachlassenden Kirchenbindung im Land.
Woran liegt das? Vielleicht am Amt selbst, meint der Journalist Heribert Prantl. „Das Amt des deutschen Bundespräsidenten hat nicht Pompöses, sondern eher etwas Protestantisches“, schrieb er 2017 in der „Süddeutschen“. Die Ausstattung des Präsidententamts mit politischer Macht sei „so bescheiden und so zurückhaltend wie der Schmuck in einer evangelischen Kirche“, wo nichts von dem ablenken solle, was wirklich wichtig ist. Im Falle des Bundespräsidenten wie in der Kirche vor allem: das Wort.
Tatsächlich sind die Reden der Bundespräsidenten ihr wichtigstes Instrument. Inhalt und Form ähneln dabei oft protestantischen Predigten. Eine präsidiale Rede sei „eine Art weltlicher Predigt“, schrieb der Politologe Dolf Sternberger 1979. Diese Nähe zeigt sich etwa in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten, die verbinden und aufbauen sollen. Sie zeigt sich aber auch da, wo ein Bundespräsident mahnt und den Menschen ins Gewissen redet, wie bei Roman Herzogs „Ruck-Rede“ 1997. Kraft und Orientierung geben, beides gehört zu den Aufgaben eines Predigers wie eines Präsidenten.
Betonung des eigenen Glaubens
Natürlich ist ein Bundespräsident nicht einer Religion oder Konfession verpflichtet, sondern der ganzen Gesellschaft. Dennoch haben die bisherigen Amtsinhaber ihren Glauben nicht versteckt. Beispielhaft dafür ein Satz aus der Antrittsrede von Johannes Rau: „Jeder soll wissen, dass ich Zuversicht und Kraft aus dem christlichen Glauben schöpfe und dass ich Respekt vor allen habe, die ihr Leben auf andere Fundamente gründen.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Vordergrund) mit dem griechischen Präsidetnen Prokopis Pavlopoulos bei der Eröffnung der Documenta 14 (2017). Foto: Viet-Hoang Nguyen
Und Frank-Walter Steinmeier sagte, noch als Außenminister, 2015 in einer Rede vor muslimischen Studenten in Tunis: „Natürlich hat mein Christsein mit meinem Handeln in der Gesellschaft zu tun: Meine Religion gebe ich nicht an der Garderobe ab, wenn ich morgens ins Büro gehe.“
Vielleicht liegt in diesen Gedanken der Hauptgrund dafür, dass die Parteien so oft bekennende Christen für das Präsidentenamt aufgestellt haben: Wer einen festen moralischen Kompass und gleichzeitig Respekt vor Andersdenkenden hat, wird auch als geeignet angesehen, ein Gemeinwesen zusammenzuhalten. Im Falle der bisherigen Bundespräsidenten war dieser Kompass meist ihr evangelischer Glaube. Worauf auch immer ihre Nachfolger bauen werden – allein schon durch das Amt werden sie damit an eine protestantische Tradition anknüpfen.
Die Bundespräsidenten
Theodor Heuss
(1949 – 1959), FDP, evangelisch
Heinrich Lübke
(1959 – 1969), CDU, katholisch
Gustav Heinemann
(1969 – 1974), SPD, evangelisch
Walter Scheel
(1974 – 1979), FDP, evangelisch
Karl Carstens
(1979 – 1984), CDU, evangelisch
Richard von Weizsäcker
(1984 – 1994), CDU, evangelisch
Roman Herzog
(1994 – 1999), CDU, evangelisch
Johannes Rau
(1999 – 2004), SPD, evangelisch
Horst Köhler
(2004 – 2010), CDU, evangelisch
Christian Wulff
(2010 – 2012), CDU, katholisch
Joachim Gauck
(2012 – 2017), parteilos, evangelisch
Frank-Walter Steinmeier
(seit 2017), SPD, evangelisch