... nicht aber die umliegenden Gebäude. Das alte Pfarrhaus nebenan gehört dem Geheimdienst. Seit 2017 haben die Lutheraner noch die Kirche in Jaroslawl zurückerhalten. Doch in St. Petersburg, Wolgograd, Krasnodar oder Smolensk müssen sie weiterhin warten. Erzbischof Brauer fordert deshalb, dass die russische Regierung den „Völkermord“ an den Deutschen nach der Oktoberrevolution 1917 anerkennt. In jener Zeit seien Leitende der lutherischen Kirche hingerichtet und Kirchen enteignet worden. Eine Anerkennung des Genozids hätte zur Folge, dass die heutige Kirche die Rückgabe enteigneter Immobilien beanspruchen könnte.
Kleine Minderheit
Dietrich Brauer, geboren 1983 in Wladiwostok, ist seit 2014 Erzbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Russland, die sich aus zwei Diözesen zusammensetzt (siehe Kasten). Die Protestanten sind in Russland eine kleine Minderheit, das Land ist von der russisch-orthodoxen Kirche geprägt. Brauer ist der erste Bischof der lutherischen Kirche in Russland seit fast 100 Jahren, der tatsächlich aus Russland stammt. Seine Frau Tatjana hat Brauer am Seminar in St. Petersburg kennengelernt, mit vielen der Pfarrer, die jetzt in den Gemeinden sind, hat er zusammen studiert. Während früher vor allem Pfarrer im Ruhestand aus Deutschland in Russland predigten, sind es nun Einheimische. Der Austausch, besonders mit Deutschland, ist Erzbischof Brauer aber nach wie vor wichtig. Brauer selbst spricht perfekt Deutsch und seine Kirche ist immer noch stark von Russlanddeutschen geprägt, Vaterunser und Glaubensbekenntnis sprechen selbst russischsprachige Gemeinden auf Deutsch.
Schwierige finanzielle Lage
Die politische Position seiner Kirche beschreibt Brauer vorsichtig: „Wir sind kritisch-solidarisch. Wir sind
Staatsbürger des Landes und wir kümmern uns um die Menschen.“ Brauer ist inzwischen Mitglied im Präsidentenrat für die Beziehungen zu religiösen Einrichtungen. Er bedauert, dass sich die politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland verschlechtert haben. Die persönlichen Beziehungen
vieler Russen nach Deutschland seien aber weiterhin gut. Die finanzielle Lage der lutherischen Kirche in Russland ist schwierig. Sie bekommt kein Geld vom Staat, lebt hauptsächlich von Spenden, daneben von der Vermietung ihrer Gebäude und Einnahmen aus Konzerten in Moskau. Pastoren wohnen zwar mietfrei, verdienen aber umgerechnet nur rund 100 Euro im Monat. Dieser Betrag werde teilweise von deutschen Partnerkirchen aufgestockt, sagt Brauer.
INFORMATION
Die Evangelisch-lutherische Kirche
in Russland (ELKR) hat rund
40 000 Mitglieder. Sie ist unterteilt
in zwei Diözesen, die Evangelisch-
lutherische Kirche Europäisches
Russland (ELKER) und die Evangelisch-
lutherische Kirche Ural, Sibirien
und ferner Osten (ELKUSFO).