In Hongkong blicken die Menschen derzeit in eine ungewisse Zukunft. Grund ist aber nicht die Pandemie, sondern die wirtschaftliche Lage. Nachdem die einstige britische Kronkolonie 1997 an China übergeben wurde, ist Hongkong eine chinesische Sonderverwaltungszone. Die Frage ist allerdings, wie stark der Wirtschaftsstandort Hongkong künftig sein wird und wie sich die politische Lage entwickelt. Einerseits gilt Hongkong immer noch als „Tor zum Westen“, gerade auch für China.
Doch immer mehr Firmen und Einrichtungen ziehen gleich ganz aufs chinesische Festland. Immer weniger Familien werden von Firmen im Ausland nach Hongkong entsandt. „Hongkong verliert die große Bedeutung als Wirtschaftsstandort, die es vor 30, 40 Jahren noch hatte“, hat Martin Sommer beobachtet. Es herrscht große Unsicherheit. Nicht zuletzt auch wegen des Sicherheitsgesetzes, das 2020 durch die chinesische Regierung erlassen wurde. Denn das führt dazu, dass viele Menschen verhaftet werden. Zahlreiche Einheimische ziehen deshalb ins Ausland. Das Sicherheitsgesetz betreffe die deutsche Gemeinde zwar nicht direkt, aber es drücke gewaltig auf die Stimmung.
Hinzu kommt, dass die Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache schrumpft. Weil Firmen außerhalb Chinas – und damit auch die deutschen – immer weniger Mitarbeitende nach Hongkong entsenden, kommen auch immer weniger neue Mitglieder nach. „Während die Gemeinde in Peking wächst, wissen wir nicht, wie sich das bei uns entwickelt“, sagt Sommer.
Dass die Gemeinde kleiner wird, habe nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit der Säkularisierung zu tun: Nicht alle Deutschen in Hongkong suchen Anschluss an eine Kirche. Für manche stehen die deutsche Kultur und Sprache im Vordergrund und da ist das Angebot groß. So gibt es neben deutschen Schulen auch Biergärten oder Weinlokale und andere Organisationen mit Angeboten in deutscher Sprache. Die Kirche ist nur ein Anbieter unter vielen.
Die deutsche Gemeinde in Hongkong bekommt übrigens keine direkten Einschränkungen zu spüren. Die Christen hier genießen Freiheiten, die es anderswo nicht gibt. Im Winter gehen sie beispielsweise an den Strand und feiern Gottesdienst, was in Peking nicht erlaubt ist.
Regelmäßige Gottesdienste finden vierzehntägig in den Räumen einer deutsch-schweizerischen Privatschule statt. Die sind übrigens im Wechsel mit den Gottesdiensten der Katholiken. Auch die Kinderarbeit läuft gemeinsam, und es gibt gemeinsame Gottesdienste, wie zu Heiligabend. In der Trockenzeit gab es vor Corona die Tradition, dass man dreimal im Jahr nach dem Gottesdienst zusammen spazieren ging. Zu englischsprachigen Gemeinden gibt es ebenfalls intensive Kontakte.
Während die Evangelischen ihren Pfarrer noch vor Ort haben, sieht das bei der katholischen Gemeinde ganz anders aus: Deren Priester ist nämlich nicht nur für Hongkong zuständig, sondern auch für Peking. Wegen der Corona-Pandemie darf er derzeit nicht von Peking nach Hongkong einreisen. Er hat seine Gemeinde schon seit über einem Jahr nicht mehr besucht. Zu den Gottesdiensten wird er online zugeschaltet, die Erstkommunion wurde mit einem koreanischen Pfarrer gefeiert, der in Deutschland studiert hat.
In der Metropole gibt es einige Kirchen, beispielsweise die Methodist International Church und die Kowloon Union Church (rechts) und Fotos: Privat
Rundreise für zwei Termine
Da geht es der evangelischen Gemeinde vergleichsweise gut. „Ich bin innerhalb von einer Stunde bei jedem Gemeindeglied“, sagt Sommer. Der Nahverkehr sei optimal ausgebaut und auch mit dem Auto könne man sich gut fortbewegen. Dennoch: Je nachdem, wie die jeweiligen Treffpunkte zueinander liegen, kann es schon einmal zu einer Rundreise werden. Dann kann es vorkommen, dass an einem Tag nur zwei Termine „drin“ sind. Da ist die Arbeit anders als zu den Zeiten, als Martin Sommer noch in einem badischen Dorf mit 500 Einwohnern gearbeitet hat.
Doch mit seiner Stelle in Hongkong geht ein langgehegter Traum in Erfüllung. Schon vor 30 Jahren hätte er ins Ausland gehen wollen, tat dies aber aus Rücksicht auf seine damals noch kleinen Kinder nicht. Die sind inzwischen alle erwachsen. Und so konnte er mit seiner Frau zusammen das Abenteuer wagen. Kantonesisch haben sie ein wenig gelernt, „doch zum fließenden Sprechen wird es nicht kommen.“ Letztendlich kann man sich in Hongkong auch auf Englisch ganz gut verständigen – und in seiner Gemeinde natürlich auch auf Deutsch.