Die Ni-Vanuatu wissen, wie man mit solchen Phänomenen umgeht, wo man bei Sturm zum Beispiel Schutz findet, zwischen den armdicken Luftwurzeln der riesigen Banyan-Bäume oder in Fels- und Erdhöhlen. Auch Schulen und Kirchen sind oft so gebaut, dass sie bei Zyklonen als Evakuierungszentrum dienen. Die Dächer der traditionellen Hütten werden bis auf den Boden gezogen, damit sich Sturmböen nicht darunter verfangen können. Die Ni-Vanuatu wissen, wie und wo man regensichere Vorräte anlegt, sogenanntes „Disaster Food“. Das sichert den Menschen das Überleben, wenn ein besonders schwerer Sturm alle Bäume entlaubt und die Ernte vernichtet hat. Solche Notzeiten kommen immer wieder vor. Für die Ni-Vanautu sind sie Teil der Natur. Doch im März 2015 traf mit Pam der stärkste je gemessene Wirbelsturm auf Vanuatu und verwüstete den Inselstaat in einem Ausmaß, wie es bisher nicht vorgekommen war. Der Klimawandel führt dazu, dass tropische Wirbelstürme immer heftiger werden.
Vanuatu - Immer mehr extreme Regenfälle
Im April 2020 suchte ein weiterer Zyklon der höchsten Messkategorie 5 die nördlichen Inseln Vanuatus heim. Wieder wurden so gut wie alle Häuser zerstört, Bäume entlaubt, umgeknickt oder gleich ganz mit den Wurzeln aus der Erde gerissen. Den Ni-Vanuatu ist bewusst, dass es mittlerweile in jeder Regenzeit zu solchen Monsterzyklonen kommen kann. Und sie wissen, dass dies nicht die einzigen Folgen des Klimawandels sind.
Nicht nur in Vanuatu steigt der Meeresspiegel und bedroht die Küstenregionen. Das Meerwasser erwärmt sich, was den Fischreichtum bedroht. Korallen sterben ab und bieten den Küsten keinen Schutz mehr vor der Brandung. Schließlich verändern sich durch den Klimawandel auch die Regenmuster, was neben den Zyklonen wohl die gravierendste Folge ist. Insgesamt fällt in Vanuatu immer weniger Regen. Und wenn es regnet, kommt es immer häufiger zu Extremregen, der gar nicht in die tieferen Bodenschichten eindringt und alles mit sich reißt. Das hat dramatische Folgen für die Nahrungssicherheit einer Bevölkerung, die sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat. Deswegen will Vanuatu eine Schadensersatzklage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag einreichen. 2018 kündigte der damalige Außenminister des Landes, Ralph Regenvanu, an, dass seine Regierung alle rechtlichen Möglichkeiten auf zwischenstaatlicher und internationaler Ebene ausschöpfen wolle. Dadurch sollen Unternehmen, die fossile Brennstoffe nutzen, auch die Kosten der Klimaschäden tragen.
Gleichermaßen will man die Regierungen zur Verantwortung ziehen, die aktiv oder unbewusst zum Klimawandel beitragen. Vanuatu ist nicht länger bereit, die Kosten der von anderen verursachten Schäden allein zu tragen. So sehr die Ni-Vanuatu unter den Folgen des Klimawandels leiden, so wenig haben sie dazu beigetragen. Vanuatus Treibhausgas-Kontingent liegt bei 0,0001 Prozent des deutschen. Kaum ein anderes Land hat eine bessere Klimabilanz. Das ist ein Grund, warum Vanuatu 2006 auf dem ersten Platz des sogenannten Happy Planet Index (HPI) gelandet ist. Jedes Jahr ermittelt die britische New Economics Foundation in 140 Ländern das subjektive Wohlbefinden und setzt dieses ins Verhältnis zur durchschnittlichen Lebenserwartung und zum ökologischen Fußabdruck. Seit Jahren ist Vanuatu immer unter den ersten fünf Ländern. Die Ni-Vanuatu dürfen sich zurecht zu den glücklichsten Menschen der Erde zählen.
Vanuatu. Auf dem Markt werden Obst und Gemüse nicht in Plastiktüten verpackt, sondern zum Beispiel in Blätter. Foto: Katja Dorothea Buck
Tatsächlich tragen die Menschen hier fast immer ein Lächeln auf den Lippen. Jeder Reiseführer berichtet davon, dass dies zur Lebensart auf den Inseln dazugehöre. Selbst nach Zyklonen, Tsunamis oder Vulkanausbrüchen lächeln die Menschen. Für sie ist das Ausdruck ihrer Dankbarkeit. Dafür, dass die Natur ihnen alles schenke, was sie zum Leben brauchen. Außerdem gehe Wiederaufbau leichter mit einem Lächeln im Gesicht als ohne.
Einwohner von Vanuatu - Glücklich trotz Verwüstung
Doch angesichts des Klimawandels und anderer Herausforderungen, welche die globalisierte Welt mit ihren kapitalistischen Spielregeln an kleine Staaten stellt, sind die Aussichten für Vanuatu nicht gut. Das Land hat keine Rohstoffe, für die es auf dem Weltmarkt Devisen bekommen könnte. Die braucht es aber, um Autos, Computer oder Handys kaufen zu können. Bis zur Corona-Pandemie war der Tourismus mit 40 Prozent der stärkste Wirtschaftszweig. Doch seit März 2020 sind alle Grenzen geschlossen. Der Tourismus ist komplett zusammengebrochen.
Die Ni-Vanuatu brauchen dringend Partner, die sich an ihre Seite stellen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen. Der Weltgebetstag kann da einen Anfang machen. □
Erfahren Sie mehr über Anita Derion und "die gläserne Decke" der Frauen.