Der Historiker Harald Haury führte bei der Vorstellung der "AUF!-Studie" aus, dass ehemalige Seminaristen den Oberkirchenrat 2011 darauf hinwiesen, dass es Fälle im Vorfeld der Seminare und im Hymnus-Chor gegeben hatte. Die Fälle beziehen sich vor allem auf einen ehrenamtlichen Funktionär des Jungmännerwerks, der im Wesentlichen in den 50er- und 60er-Jahren Menschen missbraucht hat. Im Zuge der Untersuchungen seien mehrere Hinweise auf weitere Fälle von sexuellem Missbrauch eingegangen, berichtete Haury.
Die Landeskirche zahlt jedem Betroffenen inzwischen 5000 Euro pauschal aus, berichtete die Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche, Ursula Kress. Dabei handle es sich zunächst um eine Überbrückung, „orientiert an den Wünschen der Betroffenenen“. Auf EKD-Ebene würde derzeit verhandelt, mit welchem Betrag Opfer von sexuellem Missbrauch entschädigt werden sollen. Damit soll es in den Landeskirchen zu einheitlichen Zahlungen kommen, zu denen sich auch die württembergische Landeskirche verpflichtet. Bis es soweit ist, stünden bei finanziellen Notfällen oder für Therapien stünden pro Person weitere 10 000 Euro zur Verfügung. Mittlerweile seien aber auch schon Forderungen von 100 000 bis 300 000 Euro eingegangen. Ursula Kress sagte, dass künftig weitere Fälle von Missbrauch untersucht würden. Allerdings sei die Fachstelle zum Umgang mit sexueller Gewalt mit 1,35 Stellen unterbesetzt.
Im zweiten Teil der „AUF!-Studie“ wurden Schutzkonzepte im CVJM Esslingen und weiteren Einrichtungen der Landeskirche ausgewertet. „Ein Schutzkonzept ist nie abgeschlossen und kann deshalb auch als Schutzprozess bezeichnet werden“, sagte die Psychologin Simone Korger.
Bei den Konzepten gebe es Stärken, beispielsweise klare Regeln zu akzeptablem und inakzeptablem Verhalten. Korger sieht aber auch Entwicklungsmöglichkeiten: So sei mehr Personal innerhalb der Einrichtungen nötig, zudem müssten weiteren Stellen zur Unterstützung von Betroffenen geschaffen werden. Miriam Günderoth von der Projektstelle Prävention sagte, dass 90 Prozent aller Kirchenbezirke mindestens eine Arbeitsgruppe haben, die Schutzkonzepte entwickeln. Darüber hinaus gebe es Schulungen für Verwaltungsstellen und Mitarbeitende. Fast alle Pfarrerinnen und Pfarrer hätten mittlerweile eine solche Schulung absolviert.
Synodalpräsidentin Sabine Foth, sagte im Anschluss, dass die Kirche lange die Augen vor toxischen Strukturen und vor dem Leid der Betroffenen verschlossen habe. Sie forderte Schutzkonzepte, die immer wieder angepasst werden. „Absolute Transparenz ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen“, sagte Annette Sawade in der Aussprache. Gabriele Schöll hob hervor, dass kein Milieu davor gefeit sei, dass sexuelle Übergriffe geschehen.