Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, sieht in der aktuellen Migrationsdebatte die Gefahr, neue Politikverdrossenheit zu produzieren. Die Debatte sei „hilflos eskalierend", sagte Heinrich am Rande eines Besuchs in einer Abschiebeeinrichtung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es würden hektische Vorschläge gemacht, die rechtlich nicht haltbar und praktisch nicht umsetzbar seien. Das sei eine Gefahr für die Wahrnehmung der Demokratie.
Falsche politische Versprechungen führen zu Enttäuschungen
In der Bevölkerung gebe es den Wunsch nach Sicherheit und einem „handlungsfähigen, auch wehrhaften Rechtsstaat". Politische Versprechungen, die nicht umsetzbar seien, führten nur zu Enttäuschungen. Die Enttäuschungen wiederum produzierten das Gefühl von Steuerungsverlust und verstärkten den Eindruck, dass die Demokratie handlungsunfähig sei. „Das kann niemand wollen", sagte Heinrich.
Wer jetzt politische Versprechungen macht, die sich in naher Zukunft als nicht umsetzbar erweisen, weil die Wirklichkeit komplizierter ist, produziert wieder nur Enttäuschungen
sagt Anna-Nicole Heinrich
Es braucht ernsthafte und sachliche Debatten statt Populismus
Heinrich sagte, sie vermisse in der Diskussion um das Asylrecht „Rückgrat" für grundlegende Werte. „Besonders in den Wahlkämpfen haben sich viele von populistischen Positionen unter Druck setzen lassen und vergessen, dass wir gerade erst 75 Jahre Grundgesetz gefeiert haben", sagte sie mit Verweis auf das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Asyl. Benötigt werde eine sachliche und ernsthafte Debatte über Herausforderungen und Probleme mit Migration.
Wir dürfen uns nicht von Populisten treiben lassen.
Anna-Nicole Heinrich
Appell für die Menschenwürde
Kritik übte sie auch an der Forderung, Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. „Menschenwürde heißt für mich nicht, Leute einfach abblitzen zu lassen", sagte Heinrich. Man müsse alles daran setzen, „im Inneren Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Menschenwürde zu gewährleisten und zu verteidigen, ohne diese an den Außengrenzen abzuschaffen".