„Ein bisschen mehr Dankbarkeit hat noch keinem geschadet“, könnte man sagen. Und Dankbarkeit hat nachweisbar positive Auswirkungen auf die mentale und sogar auf die körperliche Gesundheit. Andererseits stimmt der Dankbarkeits-Boom zugleich nachdenklich. Denn die übermäßige Beschäftigung mit einer bestimmten Sache ist häufig Ausdruck eines Defizits. Könnte es sein, dass die Dankbarkeitsbücher, -aufsätze, -videos einem Mangel abzuhelfen suchen?
Denn diese Beobachtung kann man ja ebenso machen: dass sehr vieles für selbstverständlich genommen wird, von dem Menschen vergangener Zeiten oder anderer Erdteile nur träumen konnten oder können. Dass es eine ausgeprägte Anspruchshaltung und entsprechend schnell große Unzufriedenheit gibt, was die Verfügbarkeit von Waren, Dienstleistungen, Karriere- oder auch Freizeitmöglichkeiten gibt.
Als Christ liegt es nahe, sich in dieser verwirrenden Gemengelage zwecks Orientierung der Bibel zuzuwenden. Ebenfalls ein Buch, genauer eine ganze Bibliothek, müsste sie doch eigentlich alles Wesentliche zum Thema beinhalten. Doch der Befund enttäuscht. Es fängt schon damit an, dass das Hebräische, in dem der größte Teil des Alten Testaments verfasst ist, gar keinen Begriff für „Dankbarkeit“, ja noch nicht einmal für „Dank/danken“ kennt. Da das Alte Testament seine theologische Botschaft jedoch über weite Strecken erzählerisch entfaltet, lohnt ein genauerer Blick.
Eine grundlegende Unterscheidung innerhalb des Alten Testaments ist die zwischen Dank gegenüber Menschen und gegenüber Gott. Wo Dank im Zwischenmenschlichen begegnet, ist er in aller Regel eine Reaktion, also ein „Dank für etwas“. Zeitlich weist er somit zunächst in die Vergangenheit. Da der Dank zwischen Menschen jedoch häufig mit dem Begriff „segnen“ formuliert ist, besitzt er auch einen auf die Zukunft verweisenden Aspekt, insofern der Segen als wirkmächtig für das zukünftige Ergehen des Gesegneten verstanden wird.
Beispiele für Handlungen, die dem Wohltäter einen solchen Segenswunsch einbringen:
Sehr viel häufiger sind Situationen, in denen sich Menschen zu „Dank“ gegenüber Gott veranlasst sehen. Es handelt sich meist um menschliche Grenzerfahrungen wie die Geburt eines Kindes (1. Mose 29,35), die Rettung aus Todesgefahr auf hoher See (Jona 2) oder die Führung auf Reisen mit ungewissem Ziel (1. Mose 24,27+48). Für das Volk Israel von besonderer Bedeutung sind die Rettung am Schilfmeer (2. Mose 15,1-2) und die folgende Befreiung aus Ägypten (2. Mose 18,10). Wer sich derartiger Ereignisse erinnert, zeigt sich dankbar, wer sie hingegen vergisst, ist undankbar gegenüber Gott (5. Mose 8).
Den ungekürzten Artikel lesen Sie im Evangelischen Gemeindeblatt für Württemberg in der Ausgabe 29/2024. Hier geht es zum e-Paper.